Haftung – Wann muss man als Planer Mehrkosten einer Bauablaufstörung tragen
Als Planer oder Bauunternehmer ist es regelmäßig ein steiniger Weg, Ansprüche gegen den Bauherrn wegen Bauzeitverlängerungen durchzusetzen. Das gilt selbst in vergleichsweise trivialen Konstellationen, wie einer vom Auftraggeber verursachten
Anfangsverzögerung (wir berichteten im Bau-NL Februar 2021: Berechnung der Entschädigung bei Bauzeitverzögerung). Noch höher sind die Hürden, wenn es wechselseitige „Verzögerungsbeiträge“ mehrerer Projektbeteiligter gibt; die dann von der Rechtsprechung geforderte bauablaufbezogene Darstellung, ist in der Praxis nur selten zu leisten. Ein aktuelles Urteil des OLG München (Urteil vom 13.04.2021 - 9 U 2715/20 Bau) erleichtert für Bauunternehmen womöglich die Durchsetzung von bauablaufbezogenen Ansprüchen – zum Nachteil der Planer.
Der Fall
Der Auftraggeber (AG) ließ ein Klinikgebäude errichten. Die vom beauftragten Planungsbüro (AN) erstelle TA-Planung war nicht ausführungsreif. Die Baufirmen der Haustechnikgewerke meldeten draufhin diverse Bedenken an und es kam zu einer Bauzeitverzögerung von mindestens 9 Monaten. Ein Trockenbauer macht noch während der Bauphase verzögerungsbedingte Entschädigungsansprüche gegen den AG geltend und droht an, andernfalls seine Arbeit einzustellen.
Der AG zahlt daraufhin eine Entschädigung an den Trockenbauer und klagt diese als Schadensersatz vom AN ein. Der AN wendet unter anderem ein, die bauablaufbezogene Darstellung des Trockenbauers erfülle nicht die Anforderungen der Rechtsprechung und der Anspruch sei daher unschlüssig.
Die Entscheidung
Das OLG verurteilt den AN zur Zahlung. Dabei geht es zwar selbst davon aus, dass die vom Trockenbauer verlangte Entschädigung der Höhe nach mangels konkreter bauablaufbezogener Darstellung nicht schlüssig sei. Darauf komme es jedoch nicht an. Denn der AN ist aufgrund der von ihm mangelhaft erstellten Planung für die Situation verantwortlich und der AG hatte ein berechtigtes Interesse, eine Arbeitsniederlegung des Trockenbauers zu verhindern und somit noch größeren Schaden von dem Bauvorhaben abzuwenden. Wenn – wie hier – zumindest dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch des Trockenbauers besteht, kann man vom AG nicht verlangen, einen „Höhenstreit“ zu führen. Es genügt, dem AN Rückzahlungsansprüche gegen den Trockenbauer wegen etwaiger Überzahlungen abzutreten. Den „Höhenstreit“ muss dann im Zweifel der AN in einem Folgeprozess führen.
Folgerungen für die Praxis
Die Androhung eines Baustopps – wie hier vom Trockenbauer – ist fast immer vertragswidrig und daher nicht empfehlenswert. Der Zeitpunkt stimmt aber. Die gerichtliche Geltendmachung von Verzögerungsansprüchen nach Projektende ist selten aussichtsreich. Daher sollte man als AN immer die Gunst des laufenden Projektes nutzen und Bauzeitverlängerungsansprüche frühzeitig anbringen. Das Urteil des OLG München kann in diesem Zusammenhang erhebliche Auswirkungen für die Praxis haben:
• Bauherrn können Forderungen wegen Bauzeitverzögerungen künftig einfacher nachkommen, und sich anschließend das Geld von den (versicherten) Planern zurückzuholen. Mühselige Auseinandersetzung mit baubetrieblichen Gutachten sind in diesem Fall obsolet und man muss „nur“ noch einen Planungsmangel sowie eine daraus resultierende Bauzeitverzögerung nachweisen.
• Für Bauunternehmen ist die Entscheidung nicht Fisch nicht Fleisch. Zwar kann man ggfls. schnell an Liquidität kommen. Um eine bauablaufbezogene Darstellung wird man meist jedoch nicht herumkommen; diese wird spätestens im Rückforderungsprozess der Planer (bzw. deren Versicherung) erforderlich.
Eindeutige Verlierer sind die Planungsbüros. Nicht nur werden sie in der Zukunft vermutlich häufiger Bauzeitverlängerungsansprüchen von Unternehmen ausgesetzt sein. Es liegt dann auch an Ihnen, Rückforderungsansprüche gegen die Bauunternehmen in einem weiteren Klageverfahren aktiv geltend zu machen oder zumindest einen Rückforderungsprozess des Versicherers zu unterstützen.