Die Dokumentationspflicht des öffentlichen Auftraggebers – lästiges Übel oder unterschätzte Chance?
Das im Vergaberecht verankerte Transparenzgebot verlangt dem öffentlichen Auftraggeber weitreichende Dokumentationspflichten ab. Dass einer gründlichen Vergabedokumentation – insbesondere bei Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens- oder Beurteilungsspielraums – entscheidende Bedeutung zukommt, zeigte sich zuletzt wieder in einer Entscheidung der VK Baden-Württemberg.
Eingeschränkter Maßstab der gerichtlichen Kontrolle
Öffentlichen Auftraggebern steht in der Ausübung ihrer Entscheidungen regelmäßig ein weiter Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum zu, der durch die Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüft werden kann. Die VK Baden-Württemberg hat in ihrer Entscheidung vom 24.09.2019 (Az.: 1 VK 51/19) noch einmal betont, dass der Maßstab der gerichtlichen Kontrolle auf die Prüfung beschränkt ist, ob die Entscheidung des Auftraggebers auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf Fehlbeurteilung, insbesondere Willkür, beruht. Im Übrigen sei es aber allein Aufgabe des Auftraggebers, über den Beschaffungsbedarf und die Art und Weise der Beschaffung zu entscheiden.
Anforderungen an Dokumentationspflichten
Um eine derartige (eingeschränkte) rechtliche Kontrolle zu ermöglichen, muss der Auftraggeber zur Einhaltung des in § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB verankerten Transparenzgebots, den Gang der wesentlichen Entscheidungen in den Vergabeakten zeitnah dokumentieren und laufend fortschreiben. Zudem folgen hieraus bestimmte Anforderungen an den Umfang der Dokumentationspflicht. So müssen die im Vergabevermerk niedergelegten Angaben und Gründe für die getroffene Entscheidung so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des konkreten Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind. Erhöhte Anforderungen bestehen zudem bei Entscheidungen, in denen der Vergabestelle ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zukommt. Da hierfür mehrere Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen sind, erfordert die Dokumentationspflicht eine ausführliche Begründung des Entscheidungsprozesses mit seinem Für und Wider, sowie eine detaillierte Begründung der getroffenen Entscheidung.
Missachtung der Dokumentationspflicht und Heilungsmöglichkeiten
Fehlt es an einer Dokumentation der wesentlichen Gesichtspunkte, kann dieser Dokumentationsmangel dazu führen, dass das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt, ab dem die Dokumentation den genannten Anforderungen nicht genügt, wiederholt werden muss. Allerdings führt nicht jeder Mangel zu einer Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens. Vielmehr soll eine entsprechende Anordnung den Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Gewährleistung einer wettbewerbskonformen Auftragserteilung allein durch eine Berücksichtigung der nachträglichen Dokumentation im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nicht ausreichen kann. Hierbei ist zu differenzieren zwischen den nach §§ 8 EU VOB/A, 8 VgV mindestens niederzulegenden Angaben und andererseits Gesichtspunkten, die nachträglich die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung rechtfertigen sollen. Bei letztgenannten Aspekten wäre es unverhältnismäßig, der Vergabestelle eine nachträgliche Überprüfung auf Stichhaltigkeit generell zu verwehren. Die Möglichkeit einer Heilung des Dokumentationsmangels ist demnach durch Vortrag im Nachprüfungsverfahren gegeben, soweit der Auftraggeber lediglich Lücken der Dokumentation schließt ohne gänzlich neuen und bislang unbekannten Sachverhalt vorzutragen.
[GGSC] berät regelmäßig öffentliche Auftraggeber bei der Durchführung von Vergabeverfahren und hat bereits zahlreiche Vergabestellen erfolgreich in Nachprüfungsverfahren vertreten.