Newsletter Abfall Januar 2022

Auch im Umweltrecht Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur bei individueller Betroffenheit

Große infrastrukturelle Vorhaben stoßen nicht immer auf Wohlwollen und Akzeptanz in der Bevölkerung. Dies gilt insb. auch für Erweiterungen bestehender Deponien. Vorhabenträger müssen damit rechnen, dass der zu ihren Gunsten erteilte Planfeststellungsbeschluss gerichtlich angegriffen wird. Die rechtlichen Hürden für Einzelpersonen sind dabei allerdings hoch. Erst kürzlich hat das VG Düsseldorf betont, unter welch engen Voraussetzungen formale und materielle Fehler überhaupt nur zur Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses führen können.

Auswirkungen von Verfahrensfehlern auf den Planfeststellungsbeschluss

Zwei aktuellen Beschlüssen des VG Düsseldorf vom 22.10.2021 (Az.: 17 L 1475/21 und 17 L 1720/21) lässt sich die Systematik der Verfahrensfehler und deren Auswirkungen auf den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss anschaulich entnehmen. Bei der Verletzung von verfahrensrechtlichen Vorschriften im Planfeststellungsverfahren ist nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz zu unterscheiden zwischen absoluten und relativen Verfahrensfehlern.

Bei absoluten Verfahrensfehlern besteht die Besonderheit, dass der Planfeststellungsbeschluss aufgehoben wird – und zwar unabhängig davon, ob eine materielle Rechtsposition des Betroffenen verletzt wurde und ob der Verfahrensfehler sich in der Sache ausgewirkt hat. Entsprechend schwerwiegend muss ein solcher Verfahrensfehler sein. Ein solcher wäre etwa anzunehmen, wenn der betroffenen Öffentlichkeit bzw. dem Antragsteller die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess gänzlich genommen worden wäre. Dies hat das VG Düsseldorf bspw. beim Fehlen einzelner Unterlagen im Rahmen der Auslegung der Antragsunterlagen verneint, ebenso bei der Nichtbeteiligung der Öffentlichkeit in einzelnen Verfahrensschritten.

Bei relativen Verfahrensfehlern kommt es hingegen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn einerseits der betroffene Bürger tatsächlich in subjektiven Rechten verletzt ist und andererseits der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat. Andernfalls stellt das Gericht lediglich die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses fest.

Eine Beeinflussung der Entscheidung hat das VG Düsseldorf im zugrundeliegenden Sachverhalt verneint. Die Nichtbeteiligung des Antragstellers während eines einzelnen Verfahrensschrittes hatte ihn im Ergebnis nicht daran gehindert, im übrigen Verfahrensablauf zu seinen Belangen umfassend vorzutragen, insb. während des Erörterungstermins. Das Gericht gelangte daher zu der Überzeugung, dass auch bei einer umfassenderen Beteiligung keine neuen Aspekte vorgebracht worden wären, die zu einer anderen Bewertung durch die Genehmigungsbehörde geführt hätten.

Verletzung drittschützender Normen auch im Umweltrecht

Das VG Düsseldorf hat ferner in Hinsicht auf inhaltliche Mängel des Planfeststellungsbeschlusses klargestellt, dass dessen Aufhebung durch ein Gericht nicht allein dadurch erreicht werden kann, dass der Planfeststellungsbeschluss gegen materielle Rechtsvorschriften verstößt. Vielmehr kann sich der einzelne Bürger nur auf solche Normen berufen, die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Rechte dienen (sog. Drittschutz). Beeinträchtigungen anderer Menschen und ihrer Grundstücke können durch einzelne Bürger nicht geltend gemacht werden.An diesem Grundsatz hat sich im Umweltrecht auch durch das Pariser Übereinkommen, das Bundes-Klimaschutzgesetz, den Klimaschutzplan 2050 sowie dem Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung und selbst nach dem wegweisenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 (Az.: 1 BvR 2656/18) nichts geändert. So hat das VG Düsseldorf den Drittschutz und damit die Rügebefugnis des Antragstellers bspw. in Bezug auf die allgemeine Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, die natur-/artenschutzrechtlichen Vorschriften, die Biodiversität als Grundlage des Lebens sowie die Auswirkungen auf das globale Klima verneint.

Ebenso konnte der Antragsteller etwaige Beeinträchtigungen des Grundwassers nichtrügen, da sich eine Verschlechterung des Wasserkörpers nicht direkt auf seine individuellen Rechte ausgewirkt hätte. Hier war der unmittelbar Betroffene nicht zur Grundwasserentnahme und -nutzung aufgrund einer wasserrechtlichen Gestattung (wie Erlaubnis oder Bewilligung) berechtigt. Zu dem gleichen Ergebnis kam das Gericht hinsichtlich der Rodung von Wald, da nach dem BWaldG ein aus der Allgemeinheit hervorgehobener besonders geschützter Personenkreis nicht vorgesehen ist. Dies kann sich jedoch durchaus nach den jeweiligen Landesgesetzen anders darstellen, so ist z. B. in § 39 Abs. 2 Satz 2 LFoG NRW der benachbarte Waldbesitzer explizit genannt.

Ob inhaltliche Unzulänglichkeiten im Landschaftspflegerischen Begleitplan oder im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung angegriffen werden können, richtet sich nach dem einschlägigen Fachrecht. Das UVPG selbst enthält Verfahrensvorschriften und legt nicht das materielle Prüfprogramm der Umweltverträglichkeitsprüfung fest.

[GGSC] berät öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und kommunale Entsorgungsunternehmen regelmäßig gerichtlich und außergerichtlich in allen Fragen des Deponie- und Zulassungsrechts.

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