Newsletter Abfall Januar 2022

Kreislaufwirtschaft im Koalitionsvertrag

Im neuen Koalitionsvertrag finden sich auch Verabredungen der Ampel-Koalition zur Kreislaufwirtschaft. Jede/r dürfte die Ausführungen schon mal überflogen haben. Wir bei [GGSC] haben sie uns schon mal näher angesehen. Nachfolgend finden Sie wesentliche Textpassagen aus dem Koalitionsvertrag strukturiert und in fetter Schrift sowie erste Anmerkungen von uns, insbesondere aus Sicht der Entsorgungswirtschaft.

1. Wir fördern die Kreislaufwirtschaft als effektiven Klima- und Ressourcenschutz, Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze.

Kreislaufwirtschaft ist endgültig nicht mehr vorrangig die Verwertung oder Beseitigung von Abfällen, sondern Kreislaufwirtschaft ist als zentrale Aufgabenstellung der industriellen Produktion adressiert. Der Fokus liegt nicht länger bei einem umweltverträglichen Umgang mit Abfällen, sondern die zukünftige Entwicklung der Wirtschaft wird daran gemessen, ob es zu einer circular economy kommen wird. Wenn es zu Abfällen kommt, ist das Ziel einer modernen Produktion und Konsumtion bereits verfehlt.

2. Wir haben das Ziel der Senkung des primären Rohstoffverbrauchs und geschlossener Stoffkreisläufe. Hierzu passen wir den bestehenden rechtlichen Rahmen an, definieren klare Ziele und überprüfen abfallrechtliche Vorgaben. In einer „Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie“ bündeln wir bestehende rohstoffpolitische Strategien.

Hier ist zwar noch die Rede von abfallrechtlichen Vorgaben. Aber der Handlungsrahmen ist viel weiter gesteckt. Den Rohstoffverbrauch steuert das produzierende Gewerbe. Die moderne Entsorgungswirtschaft muss vielfältige Angebote für Sekundärrohstoffe machen, das setzt allerdings eine gesteigerte Nachfrage aus der Produktion voraus. Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie versteht sich deshalb nicht als Programmansatz zur Weiterentwicklung der Abfallwirtschaft, sondern zur Bündelung der rohstofflichen Strategien. Rohstoffe sind kostbar und die Produktion sowie der Verarbeitung von Rohstoffen ist regelmäßig energieintensiv und deshalb sehr klimarelevant. Untersuchungen zur Vermeidung von CO2- Emissionen durch den Einsatz von Sekundärrohstoffen an Stelle von Primärrohstoffen, wie sie beispielsweise im Statusbericht Kreislaufwirtschaft verschiedener Verbände angeführt werden, müssen handlungsleitend sein. In Österreich liegt ein -> Entwurf vor, der aktuell bereits im Anhörungsverfahren ist

3. Auf dieser Grundlage setzen wir uns in der EU für einheitliche Standards ein. Anforderungen an Produkte müssen europaweit im Dialog mit den Herstellern ambitioniert und einheitlich festgelegt werden. Produkte müssen langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein. Wir stärken die erweiterte Herstellerverantwortung auf europäischer Ebene.

Anknüpfungspunkt für eine Produktion, die der Abfallvermeidung die Priorität einräumt, ist die Produktgestaltung. Die Entsorgungswirtschaft hat sich verständlicherweise immer schwer getan, sich einem regulativen Rahmen gegenüber zu sehen, der eine Abfallhierarchie bestimmt, die in puncto Abfallvermeidung dort falsch adressiert ist. Die Vermeidung von Abfällen ist abhängig von der Produktion und der Produktgestaltung. Die Vorgaben müssen demnach in diesen Bereichen ansetzen. Weil solche Vorgaben, wie wir sie in Ansätzen aus der Ökodesignrichtlinie kennen, im gemeinsamen europäischen Markt immer auch als Handelsschranken wirken könnten, ist die Absicht der Koalitionspartner, hier politisch auf europäischer Ebene zu agieren, geboten, aber auch dringend erforderlich.

4. Wir führen digitale Produktpässe ein, unterstützen Unternehmen bei derUmsetzung und wahren das Prinzip der Datensparsamkeit.

Die Möglichkeiten der digitalen Kennzeichnung sollen erschlossen werden, um dem Verbraucher und dem Nachnutzer (Recycling) Aufschluss über die Produktzusammensetzung zu vermitteln. Mittelbar ist auf die Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs und des Schadstoffeintrags ebenso abgezielt wie auf eine Erleichterung der Reparierbarkeit und des Recyclings durch die Produktgestaltung.

5. Wir stärken die Abfallvermeidung durch gesetzliche Ziele und ökologisch vorteilhafte Mehrweg-, Rücknahme- und Pfandsysteme sowie Branchenvereinbarungen. Hierbei unterstützen wir innovative, nachhaltige Ideen wie geteilte Nutzung.

6. Die Retourenvernichtung werden wir reduzieren.

7. Wir etablieren ein Anreizsystem um bestimmte Elektrogeräte und gefährliche Lithium-Ionen-Batterien umweltgerecht zu entsorgen und der Kreislaufwirtschaft zuzuführen.

Hier sind „klassische“ ordnungsrechtliche und ökonomische Vorgaben zur Abfallvermeidung und schadlosen Abfallbeseitigung zu erwarten.

8. Qualitätsgesicherte Abfallprodukte sollen aus dem Abfallrecht entlassen werden und einen Produktstatus erlangen.

9. Wir nehmen chemisches Recycling im Verpackungsgesetz als Recyclingoption auf.

Die beiden vorgenannten Programmpunkte lassen einige Unstimmigkeiten in Bezug auf die entsprechende Einordnung erwarten. Es wird in Sachen chemisches Recycling auch nicht nur die ökologische Sinnhaftigkeit auf den Prüfstand kommen, sondern zugleich auch die Frage, ob der enorme Aufwand der Getrennthaltung sowie des Betriebs dualer Systeme lohnt, um die Verpackungsabfälle aus privaten Haushalten am Ende hochkomplexe Pyrolyse-Verfahren zuzuführen.

10. Mit einem gesetzlich verankerten Fondsmodell belohnen wir ressourcenschonendes und recyclingfreundliches Verpackungsdesign sowie den Rezyklateinsatz. Wir führen ein Recycling-Label ein. Mit einer Beschleunigung der Entwicklung von Qualitätsstandards für Rezyklate werden neue hochwertige Stoffkreisläufe geschaffen.

Anknüpfungspunkt ist auch hier das Verpackungsgesetz und zwar zunächst § 21, der die Systeme verpflichtet, eine ökologische Gestaltung der Lizenzentgelte vorzusehen. Hier sind Modelle in der Diskussion, nach der diejenigen Inverkehrbringer Gutschriften aus einem Fonds erhalten, die die angegebenen ökologischen Herausforderungen erfüllen. Wer sich nicht auf den Weg begibt, zahlt wie immer. Die Entgelte werden demnach nicht für das Gros der Verpackungsmüllhersteller erhöht, sondern die „Guten“ werden belohnt. Ein weiterer Beleg für die alte Erkenntnis, dass die Lizenzentgelte nicht geeignet sind, eine steuernde Wirkung zu entfalten. Die sog. Produktverantwortung alter Lesart bleibt eine Schimäre. Hoffnungsvoller sind Ansätze für ein Recycling-Label, weil eine solche Kennzeichnung eher geeignet scheint, Verbrauchermacht zu mobilisieren als Preisbelastungen im 1/10 Cent - Bereich.

11. Wir schreiben höhere Recyclingquoten und eine produktspezifische Mindestquote für den Einsatz von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen auf europäischer Ebene fest. Wir wollen ein Level-Playing-Field für Plastik-Rezyklate.

Das ist ein weiterer Ansatz zu Vorgaben für die Produktgestaltung, der, wie bereits ausgeführt, gemeinschaftsrechtlich nur auf EU-Ebene verfolgt werden kann. Es ist auch die notwendige Konsequenz, den bislang unterentwickelten Bereich des Rezyklat-Einsatzes in Schwung zu bringen. Schlussendlich entscheidet sich auf dem Feld des Einsatzes von Plastik-Rezyklaten nicht die Frage der Weiterentwicklung der ressourcenschonenden und klimaverträglichen Circular Economy, sondern die Rechtfertigung des dualen Systems. Wer sich hier eine Neuorientierung in der Koalitionsvereinbarung erhofft hat, sieht sich enttäuscht. Im Wahlprogramm der Grünen war von der Weiterentwicklung des Verpackungsgesetzes zu einem Wertstoffgesetz die Rede, und es war zu lesen: „Bei der Ausgestaltung der Müllsammlung wollen wir die Position der Kommunen stärken“. Diese Positionen haben offensichtlich den Weg in den Koalitionsvertrag nicht gefunden. Ein Wertstoffgesetz mit der Aufhebung der ökologisch unsinnigen Auftrennung von Verpackungsabfällen und stoffgleichen Nichtverpackungsabfällen und einer einheitlichen Trägerschaft bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern wird es in dieser Legislaturperiode nicht geben.

12. Wir setzen uns für ein europaweites Ende der Deponierung von Siedlungsabfällen ein.

13. Wir gehen mit den Ländern entschlossen gegen illegale Abfallexporte vor. Der Export von Abfällen soll europarechtlich nur noch in zertifizierten Recyclinganlagen möglich sein.

Am Ende des Kapitels zur Kreislaufwirtschaft noch zwei unterschiedliche Vorhaben, die auf EU-Ebene verfolgt werden sollen. Nr. 12 beschreibt nicht nur den Ansatz einer Erweiterung der privaten Entsorgungswirtschaft. Eine Beendigung der Deponierung von Abfällen mit biogenen Anteilen ist vor allem von herausragender Bedeutung für die Reduzierung der CO2 Emissionen. Auf diesem Feld hat die Abfallwirtschaft in Deutschland in der Vergangenheit wichtige Beiträge zur Reduzierung der Klimagase geleistet, die Vorbild für Europa sein können. Wer sich allerdings die Reduzierung der CO2-Beiträge in den Klimabilanzen ansieht, sollte die Erhöhung des Ausstoßes von Treibhausgasen im Zuge der Verbrennung von Abfällen nicht außer Acht lassen.

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