Erster Entwurf Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie - Gelegenheit zur Stellungnahme bis 09.07.2024
Am 18.06.2024 wurde der Entwurf einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) aus dem federführenden BMUV veröffentlicht, in dem unterschiedlichste Ansätze zur Stärkung einer Kreislaufwirtschaft beschrieben werden. Er soll nunmehr in die Ressortabstimmung gehen. Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft können über ein Dialogformat jetzt bis zum 9. Juli Stellungnahmen mit Ideen, Anregungen und Kritik an info@dialog-nkws(dot)de übermitteln. Auch schriftliche Stellungnahmen sind möglich. Im Kabinett soll laut BMUV im Herbst 2024 über den Entwurf beschlossen werden. Auf mehr als 150 Seiten werden zahlreiche Ziele und einige, mögliche Umsetzungsschritte vorgestellt. Damit wird auch die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für den Wirtschaftsstandort Deutschland betont.
Ehrgeizige Ziele
Das BMUV hat sich ehrgeizige Ziele auf die Fahne geschrieben: Der Verbrauch neuer Rohstoffe soll bis 2045 pro Kopf von derzeit 16 Tonnen auf acht Tonnen halbiert werden. Bis 2030 soll sich überdies der Anteil der Sekundärrohstoffe am Rohstoffverbrauch von 13 Prozent auf 26 Prozent verdoppeln. Mit dem Critical Raw Materials Act will die EU außerdem ein Viertel des Bedarfs an strategischen Rohstoffen bis 2030 durch Recycling decken. Und schließlich soll das Pro-Kopf-Aufkommen an Siedlungsabfällen bis zum Jahr 2030 um 10 % und bis zum Jahr 2045 um 20 % sinken im Vergleich zum Jahr 2020 (wie erfahrene Akteure wissen, hat sich insoweit in den letzten 20 bis 30 Jahren überaus wenig getan).
Erste Reaktionen
Bereits jetzt können erste Reaktionen verzeichnet werden, v.a. von Akteuren wie Umwelt- und Unternehmensverbänden (DUH, BUND, German Watch, BNW, BDE, GfTZ etc.), die unterschiedliche Ansätze herausgegriffen und Einiges durchaus positiv bewertet haben. Beklagt wird allerdings der hohe Abstraktionsgrad und die Abwesenheit konkreter Umsetzungsschritte, v.a. was den Rechtsrahmen angeht. Ein Blick in den Entwurf lohnt jedenfalls – nicht zuletzt, um mitzudiskutieren!
Beispiele für Vorschläge aus dem Entwurf der NKWS für mehr Verwertung und Recycling
Nicht nur, dass die Abfallhierarchie ausdifferenziert und auf zehn Maßnahmen ausgedehnt werden soll – auch Maßnahmen der Abfallvermeidung und -verwertung sollen gestärkt werden. Dazu will die Bundesregierung nicht zuletzt zahlreiche Rechtssetzungsvorhaben auf nationaler und auch auf europäischer Ebene vorantreiben, die auch für die Akteure der kommunalen Abfallwirtschaft von hohem Interesse sind. Zu nennen sind insoweit v.a. die folgenden Vorhaben:
- Es sollen mehr (Elektro-) Altgeräte hochwertig recycelt werden, um so wertvolle Ressourcen im Kreislauf zu führen: Durch eine Novelle des ElektroG soll es zukünftig Verbraucherinnen und Verbrauchern noch einfacher gemacht werden, ihre Altgeräte im Handel abzugeben. Hierzu gehört auch eine deutlich verbesserte Verbraucherinformation.
- Recyclingpotentiale gewerblicher Abfälle sollen künftig besser genutzt werden: Durch eine Novelle der GewAbfV soll die Verordnung noch stringenter und vollzugstauglicher gestaltet, die behördliche Kontrolle der getrennten Sammlung gewerblicher Siedlungsabfälle und Bau- und Abbruchabfälle gestärkt und das Erreichen der Recyclingquote bei der Vorbehandlung abgesichert werden.
- Verpackungen sollen vermieden werden und einheitliche Kriterien zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen etabliert und Rezyklateinsatzquoten festgesetzt werden: Dafür ist die im Herbst 2024 „final“ zu beschließende Novelle der Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle vorgesehen.
- Ein besonderer Fokus liegt darauf, mineralische Ersatzbaustoffe effektiver im Kreislauf zu führen und ihre Nutzung als hochwertige und qualitätsgesicherte Recycling-Baustoffe zu fördern: Dafür wird die Abfallende-Verordnung für mineralische Ersatzbaustoffe, aufbauend auf den Regelungen der Ersatzbaustoffverordnung, die im Kreislaufwirtschaftsgesetz verankerten Kriterien zur Festlegung des Abfallendes bestimmter mineralischer Stoffströme konkretisieren. Dies soll dazu beitragen, dass mineralische Ersatzbaustoffe im Tiefbau verstärkt im Kreislauf geführt werden und gleichzeitig der Schutz von Boden und Grundwasser sichergestellt wird. Die Bundesregierung würde dann schrittweise das Abfallende für weitere Stoffe und Materialien wie z.B. mineralische Sekundärrohstoffe im Hochbau in geeigneter Weise definieren, wo dies zur Unterstützung des Recyclings notwendig ist.
- Mengen und Qualitäten getrennt gesammelter Bioabfällen sollen gesteigert werden: Gerade die Bioabfallverwertung leistet nach Einschätzung des BMUV einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz. Für eine Neufassung der Bioabfallverordnung wird geprüft, ob Vorgaben zur Konkretisierung bzw. Kriterien der getrennten Sammlung von Bioabfällen festgelegt werden können, um die Menge und die Qualität getrennt gesammelter Bioabfälle zu steigern.
- Durch die geplante Neufassung der Altholzverordnung (AltholzV) soll unbehandeltes oder gering behandeltes Holz vorrangig stofflich verwertet werden. Perspektivisch soll das aus dem Verursacherprinzip hervorgegangene Instrument der erweiterten Herstellerverantwortung weiterentwickelt werden, das für die Abfallströme Verpackungen, Elektro-/Elektronikaltgeräte, Altfahrzeuge, Altbatterien und Einwegkunststoffprodukte bereits etabliert ist. Dazu will das BMUV bestehende Regelungen für eine erweiterte Herstellerverantwortung (im deutschen Recht Produktverantwortung genannt) auch im Hinblick auf Anreize für ein recyclinggerechtes Design weiterentwickeln, v.a. auf europäischer Ebene.
Zentrale Rolle der öffentlichen Beschaffung
Einen zentralen (Nachfrage-) Hebel sieht das BMUV auch in der öffentlichen Beschaffung. Hier sollen nicht nur die Regeln der AVV-Klima für Bundesauftraggeber in eine AVV Umwelt weiterentwickelt werden. Darüber hinausgehend ist aber auch geplant, das Konzept der zirkulären Beschaffung im Vergabetransformationspaket weiter zu verfolgen und zu konkretisieren. Bis 2030 werden folgende Maßnahmen geprüft:
- Lebenszykluskosten sollen insoweit künftig verbindlich als Zuschlagskriterien zu berücksichtigen sein.
- Überlegt wird daneben, Negativlisten für nicht zu beschaffende Materialien zu erarbeiten.
- In der Diskussion und Prüfung ist auch die Vorgabe verbindlicher Leitlinien zur Ressourcenschonung und Zirkularität für die Vergabe von Bauprojekten durch den Bund: Öffentlich beschaffte Bauleistungen müssen Ressourcenschonung, Langlebigkeit und Weiter- bzw. Umnutzung bereits bei der Bedarfsermittlung berücksichtigen und in der Planung verankern. Ein Ausschluss von Sekundärrohstoffen bei Ausschreibungen soll künftig nicht mehr möglich sein.
Förderung der Bestandserhaltung und Weiternutzung von Bauwerken
Um die Bestandserhaltung und Weiternutzung von Bauwerken zu fördern, sind folgende Instrumente in der Diskussion:
- Anpassungen des Baugenehmigungsrechts u.a. zur Erleichterung von Bestandserweiterung und Sanierung, zur Einführung von Rückbaukonzepten beim Abbruch sowie zum stärkeren Einsatz rückbaufähiger Konstruktionen beim Neubau.
- Die Potentiale digitaler Technologien sollen voll genutzt, Bauwerke dadurch kreislaufgerecht geplant und Daten digital erfasst werden. Dazu wird für alle Gebäudetypen ein digitaler Gebäuderessourcenpass eingeführt. Dieser bietet Informationen darüber, welches Bauteil wiederverwendet werden und wie der Rückbau schadlos erfolgen kann.
- Stärkung des Bauens mit Holz im Rahmen der Holzbauinitiative des BMWSB.
- Verstärkte Forschungsförderung für klimafreundliches und modulares Bauen sowie für Sortier- und Recyclingtechnologien und
- Verbesserung der Datenbasis zum Bauwerksbestand, um u.a. „Urban Mining“ zu ermöglichen
Insgesamt wird der Digitalisierung im Prozess zum Umbau der Wirtschaft zu einer Circular Economy eine gewichtige Bedeutung beigemessen, auch durch den verstärkten Einsatz von Open-Source-Software und digitalen Produktpässen.
Anzumerken ist auch noch, dass das BMUV die Entsorgung bzw. Verwertung von Anlagen erneuerbarer Energien stärker in den Blick nimmt, wie z.B. von Photovoltaik-Modulen, Rotorblättern von Windenergieanlagen und von Wärmepumpen. Hier soll noch geforscht werden, ein konkreter Normierungsrahmen zeichnet sich aus dem Entwurf der NKWS nicht ab.
In der Strategie zeichnet sich u.a. ab, dass für die Etablierung neuer Regelwerke in einigen Bereichen wie z.B. der Produktverantwortung, auf europäischer Ebene angesetzt werden muss. Dafür will sich die Bundesregierung aber lt. Entwurf NKWS ausdrücklich einsetzen.
Auch wenn nur ein minimaler Ausschnitt schlaglichtartig beleuchtet werden konnte: Sie sehen, dass in den Ansätzen der NKWS so Einiges steckt, was auch für die Arbeit der Akteure der kommunalen Abfallwirtschaft langfristig von nicht unerheblicher Bedeutung sein kann. Auf die weitere Konkretisierung dürfen wir gespannt sein. Diskutieren Sie also mit?