Altkleiderkrise – Umgang mit einer Insolvenz
Die aktuelle Lage am Altkleidermarkt ist stark eingetrübt. Der Markt leidet an einer Absatzkrise. Es ist ein deutliches Überangebot entstanden, was u.a. zu dem derzeitigen Preisverfall geführt hat. Nach dem jüngsten EUWID-Marktbericht vom September 2024 liegt der Preis für ein Kilogramm Originalsammelware bei 15 bis 28 Cent frei Werk. In der Praxis geht es z.T. bereits darum, dass die Ware überhaupt abgenommen wird. Insbesondere der wichtige Absatzmarkt Afrika bricht weg, da er zunehmend von Neu- und auch Secondhandware aus China bedient wird. Außerdem haben sich die Transportzeiten verlängert, wodurch sich Zeitraum ausweitet, der vorfinanziert werden muss. Schließlich sind die Ausfallrisiken aufgrund des schwierigen internationalen Zahlungsverkehrs und des Devisenmangels gestiegen. Eine der wenigen Möglichkeiten, um die überquellenden Lager zu leeren, bleibt das „Shopgeschäft“.
Insolvenz des Auftragnehmers – Was ist zu beachten?
Diese Krise hat mutmaßlich auch dazu geführt, dass einen großen Player am Markt, die SOEX Textil-Verwertungsgesellschaft m.b.H. ein Insolvenzverfahren in (vorläufiger) Eigenverwaltung anmelden musste. Aus diesem Anlass soll zunächst dargestellt werden, wie der örE (insolvenzrechtlich) auf die Insolvenz seines Auftragnehmers reagieren sollte.
Regelmäßig beauftragen örE Dritte gemäß § 22 KrWG mit der Erfüllung ihrer Pflicht aus §§ 17, 20 KrWG, die ihnen überlassenen Altkleider zu entsorgen bzw. zu verwerten. Diese Dienstleistung ist öffentlich auszuschreiben. Regelmäßig handelt es sich um EU-weite Ausschreibungen, entweder weil der Schwellenwert überschritten wird oder eine sog. Binnenmarktrelevanz besteht, was regelmäßig übersehen wird (vgl. OLG Celle, Urt. v. 10.03.2016, Az. 13 U 148/15).
Welche vergaberechtlichen Handlungsspielräumen bestehen, wenn ein Auftragnehmer (hier: Alttextilverwerter) Insolvenz anmeldet, haben wir in unserem Beitrag für den aktuellen [GGSC] Newsletter Vergabe dargestellt. Insolvenzrechtlich sind zunächst alle offenen sog. Insolvenz-/Altforderungen beim Insolvenzverwalter – bzw. im Falle der Eigenverwaltung beim Sachwalter – anzumelden. Insolvenzforderungen sind solche, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet waren. Sie werden lediglich quotal befriedigt, wobei sich die Quote nach dem Verhältnis zwischen noch vorhandener Insolvenzmasse nach Verwertung des Vermögens des Insolvenzschuldners und der Gesamtsumme aller Insolvenzforderungen bestimmt.
Dahingegen werden sog. Masseforderungen vorweg (und damit oftmals vollständig) aus der Insolvenzmasse befriedigt. Masseforderungen sind grundsätzlich solche, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen. Wenn also der Entsorgungsvertrag auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter erfüllt wird (weil der Insolvenzverwalter dies verlangt hat, vgl. § 103 InsO bzw. – im Falle der Eigenverwaltung – der Auftragnehmer dies entschieden hat, vgl. § 279 InsO) und sich daraus Ansprüche gegen den Auftragnehmer ergeben, handelt es sich um Masseforderungen. Es kann also durchaus sinnvoll sein, das Vertragsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzusetzen. Allerdings ist für Vertragsanpassungen aus vergaberechtlichen Gründen (vgl. § 132 GWB) kaum Spielraum.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine Aufrechnung mit Forderungen des örE gegen den Auftragnehmer (Erlös aus Verwertung Altkleider) aus dem Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Forderungen des Auftragnehmers gegen den örE (Entgelt für Verwertung Altkleider) unzulässig ist.
Ausblick örE und Altkleider
Insbesondere gewerbliche Sammler werden sich vermehrt aus dem Altkleidermarkt zurückziehen, wenn dort kaum noch Gewinne zu erzielen sind. Sie können daher noch weniger als vorher ein Baustein der Erfassung von Altkleidern im Entsorgungsgebiet sein, wenn sich der örE auf eine Reservefunktion zurückziehen will. Der örE muss also perspektivisch verstärkt selbst (bzw. durch Dritte) tätig sein. Dies gilt vor allem mit Blick auf die ab 2025 auch für Alttextilien geltende Getrennterfassungspflicht aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KrWG.
Trotz der angespannten Marktlage leistet der örE mit der Getrennterfassung nicht nur einen wichtigen Beitrag zu Wiederverwendung und Recycling. Auch wird er mit der Verwertung von Altkleidern weiterhin ein relatives Plus erzielen können. Selbst wenn Ausschreibungen mit Zuzahlungen abgeschlossen werden sollten, ist dies immer noch wirtschaftlicher als die eine Verwertung der Altkleider als Restabfall über die thermische Verwertung.
[GGSC] berät örE zu allen abfall-, vergabe-, straßen-, kommunal- und steuerrechtlichen Fragestellungen der Alttextilien-Entsorgung.