Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entscheidet über Rechtmäßigkeit einer Rahmenvorgabe
Der zulässige Umfang von Rahmenvorgaben, mit denen örE gegenüber Systemen insbesondere die Einführung Gelber Tonnen durchsetzen, bleibt umstritten. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu steht noch aus. In der Folge sind weitere obergerichtliche Entscheidungen von besonderem Interesse. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2024 (Az.: 8 A 10775/23.OVG) das vorgehende Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 09.02.2023 (Az.: 4 K 354/22.NW) abgeändert und die Rahmenvorgabe aufgehoben.
Hintergrund
Der örE hatte eine Rahmenvorgabe erlassen, um die bereits in einem Teil des Stadtgebiets praktizierte Tonnensammlung auszuweiten. Eine einvernehmliche Regelung mit den Systemen scheiterte. Daraufhin hatte der örE den Systemen die Ausweitung der Tonnensammlung bei einem 14-täglichen Entsorgungsrhythmus vorgegeben.
Dagegen brachten die Systeme u.a. vor, die Abfallwirtschaftssatzung ließe ein Wahlrecht der Bürger:innen hinsichtlich des Restabfalls für eine vierwöchentliche Abfuhr zu, weshalb der kommunale Entsorgungsstandard überschritten sei. Das Verwaltungsgericht erachtete die Rahmenvorgabe für rechtmäßig und wies die Einwände der Systeme zurück. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts stellte die nach Wahl der Bürger:innen ein-, zwei- oder vierwöchentliche Sammlung des Restabfalls aufgrund des höheren Erfassungsaufwandes einen höheren Standard dar als eine homogen erfolgende zweiwöchentliche Sammlung der LVP-Abfälle.
Entscheidungsgründe
Das Oberverwaltungsgericht hat sich hinsichtlich der Bewertung des kommunalen Entsorgungsstandards nach § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts angeschlossen. Das Oberverwaltungsgericht hob die Bescheide auf, weil nach seiner Auffassung der kommunale Entsorgungsstandard aufgrund der Festsetzung über die 2-wöchentliche Leerung überschritten wird. Der gemischte Entsorgungsrhythmus für Siedlungsabfälle erfordere einen erheblich geringeren logistischen Aufwand bei der Sammlung. Der örE könne sich nicht darauf berufen, dass der Leerungsaufwand letztlich von der Entscheidung der Anschlusspflichtigen abhängt, da die die vierwöchentliche Sammlung nicht auf einer spontanen Entscheidung der Anschlusspflichtigen beruhe, sondern einer entsprechenden Anmeldung unterliege. Ein möglicher Mehraufwand im Verwaltungsbereich sei zu vernachlässigen.
Erfreulicherweise stellt das Oberverwaltungsgericht darüber hinaus klar, dass die übrigen Inhalte der Rahmenvorgabe rechtmäßig sind. Die Rahmenvorgabe des Beklagten erfülle die gesetzliche Anforderung, dass sie geeignet ist, eine möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle aus privaten Haushalten sicherzustellen. Die Studie des Umweltbundesamts aus dem Mai 2018 stütze die Annahme des örE, dass die Umstellung von einer Sacksammlung auf eine Tonnensammlung zu einer Erhöhung der LVP-Erfassungsmenge führt. Zudem erteilte das Oberverwaltungsgericht der Auffassung der Systeme eine Absage, nach der die Anordnungen der Rahmenvorgabe stets das mildeste Mittel zur Zweckerreichung sein müssen. Die Rahmenvorgabe müsse lediglich einen Beitrag zur Sicherstellung einer möglichst effektiven und umweltverträglichen Leichtverpackungssammlung leisten. Weiterhin sei die Befolgung der Rahmenvorgabe den Systemen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz auch weder technisch unmöglich noch wirtschaftlich unzumutbar. Die Systeme versuchen wiederholt, eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit aus Kostensteigerungen bei der Tonnensammlung herzuleiten. Das Oberverwaltungsgericht stellt klar, dass eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Rahmenvorgabe nicht bereits dann festgestellt werden könne, wenn den Systemen hierdurch höhere Kosten entstehen, als dies bei dem bisherigen Sammelsystem der Fall ist. Vielmehr müsse sich der Mehraufwand als „unverhältnismäßig“ darstellen.
Bewertung der Entscheidung
Es ist erfreulich, dass sich das Oberverwaltungsgericht über die Frage des Entsorgungsstandards hinsichtlich der übrigen Anordnungen der Rahmenvorgabe zugunsten des örE positioniert. Die diesbezüglichen Ausführungen tragen zu weiterer Rechtssicherheit für die örE bei dem Erlass von Rahmenvorgaben bei.
Misslich ist allerdings, dass das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Anordnung des zweiwöchentlichen Entsorgungsrhythmus von einer Überschreitung des kommunalen Entsorgungsstandards ausgeht. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ist rechtlich fragwürdig und wird der kommunalen Entsorgungspraxis nicht gerecht: Durch § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG wollte der Gesetzgeber verhindern, dass der örE den Systemen Regelungen auferlegt, die er selbst nicht „bereit“ und „in der Lage ist“ zu erfüllen. Durch das Wahlrecht der Bürger:innen hinsichtlich des Entsorgungsrhythmus stellt der örE eine bedarfsorientierte Abfallentsorgung sicher. Da alle Bürger:innen sich auch für eine zweiwöchentliche Sammlung entscheiden können, ist der örE „bereit“ und „in der Lage“ eine solche anzubieten.
Die überwiegende Mehrheit der örE sieht aus Gründen der Serviceorientierung und des Bedarfs Ausnahmen von dem in der Abfallwirtschaftssatzung definierten Regelrhythmus vor. Legt man die Rechtsauffassung des OVG zugrunde, müsste diese in der Konsequenz dazu führen, dass betroffene örE die Option der bedarfsorientierten Verlängerung/Verkürzung des Sammelrhythmus für Restabfall aus den Satzungen entnehmen. Dass der örE von bedarfsgerechten Einzelfalllösungen absieht und eine entsprechende Änderung der Abfallwirtschaftssatzung vornimmt, ist aber nicht umsetzbar und kann vom Gesetzgeber auch nicht gewollt sein. Eine Verlängerung des zweiwöchentlichen Sammelrhythmus für LVP auf vier Wochen kommt wiederum im Regelfall nicht in Betracht, da die Abfallgefäße dafür nicht groß genug sind bzw. aufgrund begrenzter Stellplatzkapazitäten kein Platz für größere Behälter ist. Im Übrigen ist die punktuelle Verweigerungshaltung der Systeme per se nicht nachvollziehbar, da vielerorts der zweiwöchentliche Sammelrhythmus in den Abstimmungsvereinbarungen ohne vorherige gerichtliche Auseinandersetzung geregelt ist.
Es bleibt daher zu hoffen, dass das Bundesverwaltungsgericht in dieser Frage die geschilderten Erwägungen der kommunalen Entsorgungspraxis einbezieht und zugunsten der örE – und damit der Bürger:innen – entscheidet.