VerpackG in der Ausschreibung
Die Eignungsvoraussetzungen im Vergabeverfahren gewährleisten in der Praxis im Regelfall, dass sich Unternehmen mit guten Marktkenntnissen um den Auftrag bewerben. Entsprechend kann erwartet werden, dass auch im Markt bekannte und diskutierte Themen präsent sind und keiner Vertiefungen in der Leistungsbeschreibung bedürfen.
Bei der Ausschreibung der Altpapierverwertung kann daher beispielsweise eigentlich erwartet werden, dass Bietern der seit langem anhaltende Streit um die Mitbenutzung der kommunalen Erfassungsstruktur durch Systembetreiber und die von ihnen lizensierten Verkaufsverpackungen bekannt sein müsste.
Bieterfragen zu Marktbesonderheiten
Das BayObLG hat jedoch in einem aktuellen Beschluss (vom 01.08.2024, Az.: Verg 19/23) entschieden, dass auftragsbezogene Fragen der Bieter auch zu diesem Thema umfassend zu beantworten sind. Richtigerweise hätte der Auftraggeber über den Stand der Verhandlungen bzw. den Abschluss einer Abstimmungsvereinbarung informieren müssen. Auch die Fragen zu Bestand, Laufzeit und Inhalt der Abstimmungsvereinbarung sowie zum Umfang der Herausgabepflicht seien als auftragsbezogene Sachfragen zu beantworten. Denn hierdurch werde die Höhe des kommunalen und nicht-kommunalen Anteils sowie die Möglichkeit der Systeme, Herausgabeansprüche geltend zu machen, vorgegeben. Dies habe unmittelbare Auswirkung auf den Auftragsgegenstand.
Umfassende Antworten an Bieter bei Vergabe Altpapierverwertung über Abstimmung mit Systembetreibern gefordert
Selbst mit Blick auf mögliche Geheimhaltungsinteressen von Systembetreibern hätte nach Ansicht des Gerichts zumindest die von geltend gemachten Herausgabeansprüchen betroffene Gesamtmenge und die Anzahl der Systembetreiber benannt werden müssen. Das gelte umso mehr unter Gleichheitsaspekten, weil der Altunternehmer hiervon Kenntnis und damit einen Wettbewerbsvorteil gehabt habe. Für vergleichbare Ausschreibungen ist daher anzuraten, diese Informationen bereits in die Vergabeunterlagen aufzunehmen.
Das Mengenrisiko sah das Gericht dagegen im konkreten Fall hinreichend genau beschrieben. Der Auftraggeber sei in vergleichbaren Fällen nicht zu einer Methode verpflichtet, „nach der die Angebotspreise möglichst risikolos kalkuliert werden können“.
Angaben zu Mengenschwankungen ausreichend
Nach Abwägung aller Umstände hatte der Auftraggeber hier die Bieter hinreichend informiert, so dass sogar extreme Mengenschwankungen ohne Einfluss auf die Höhe des Auf- oder Abschlags bleiben würden, den die Bieter zu kalkulieren und anzugeben hatten. Dafür sprachen im konkreten Fall die kurze Laufzeit, die Angabe mehrjähriger Erfahrungswerte, die gesetzliche Entsorgungspflicht des Auftraggebers und fehlende „konkrete Anhaltspunkte für extreme Änderungen in der nächsten Zukunft“.
Keine Unzumutbarkeit der Kalkulation
Eine Unzumutbarkeit einer kaufmännisch vernünftigen Angebotskalkulation konnte daher ebenso wenig festgestellt werden wie eine Abweichung von der bisherigen obergerichtlichen Spruchpraxis hierzu. Der Senat erachtete deswegen zusammenfassend auch keine Divergenzvorlage an den BGH für geboten.