Emissionshandel für Abfälle - Diskussionen im Bundesrat
Die Anwendung des neuen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) ab 2023 auf Abfälle, Klärschlamm und Biogase wurde im aktuellen Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat kontrovers diskutiert.
Mit zwei Beiträgen zum neuen BEHG im [GGSC] Abfall Newsletter März 2020 und im [GGSC] Energie Newsletter April 2020 hatten wir ausgeführt, dass das neue BEHG für Deponiegas mit geringem Heizwert und für Biogas nicht gilt. Wir gingen davon aus, dass die BEHG-Pflicht nicht weiter reichen sollte als die Energiesteuerpflicht (abgesehen von einer Ausnahmeregelung für Kohle).
Pro und Contra
Diese Einschätzung ist mittlerweile in Frage gestellt. In Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat gibt es offenbar starke Stimmen, die einen breiteren Anwendungsbereich des BEHG befürworten. Es soll nicht nur für energiesteuerpflichtige Brennstoffe, sondern auch für Siedlungsabfälle, Klärschlämme und Biogase gelten, auch wenn diese Stoffe nicht energiesteuerpflichtig oder von der Energiesteuerpflicht befreit sind. Klimapolitisches Ziel sei es, mit dem BEHG alle Brennstoffemissionen der Sektoren zu erfassen, die nicht dem EU-Emissionshandel unterliegen. Unangemessene Belastungen für die Verbrennung von klimafreundlichen Brennstoffen sollen nicht durch eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des BEHG vermieden werden, sondern dadurch, dass für (klimaneutrale) biogene Anteile der Treibhausgasemissionen der Emissionsfaktor Null angesetzt wird, so dass dafür keine Zertifikate abgegeben werden müssen. Die Belastung durch Überwachungs- und Berichtspflichten soll durch Standardemissionswerte und Erleichterungen bei der Berichterstattung reduziert werden.
Seitens der Abfall- und Abwasserwirtschaft wird dagegen überwiegend gefordert, Abfälle, Klärschlämme und daraus gewonnene Gase durch eine klare Regelung aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen. Die Einbeziehung in den Emissionshandel würde nur zusätzlichen Aufwand und zusätzliche Kosten mit sich bringen, die auf die Gebührenzahler abzuwälzen wären, aber keine Lenkungswirkung erzielen.
Aktuelles Gesetzgebungsverfahren
Im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des BEHG geht es an sich nur um die Anpassung der Zertifikatsfestpreise im BEHG. Dennoch sprachen sich die Ausschüsse des Bundesrates für gegensätzliche Positionen zur Regelung der Anwendung des BEHG auf Siedlungsabfälle aus:
Der Wirtschaftsausschuss regte an, Siedlungsabfälle ausdrücklich vom Anwendungsbereich des BEHG auszunehmen. Der Umweltausschuss ging davon aus, dass Siedlungsabfälle ab 2023 in den Anwendungsbereich einbezogen sind. Eine Freistellung lehnte er ab. Er wollte aber mengen- und emissionsmäßig irrelevante Abfallarten ausnehmen. Außerdem sollten nicht die Inverkehrbringer (Abfallerzeuger), sondern die Verwender (Entsorger/Verbrenner) berichtspflichtig sein; dafür sollte ein möglichst schlankes und bürokratiearmes Verfahren gewählt werden. Im Plenum des Bundesrates konnte sich allerdings keiner der beiden Vorschläge durchsetzen; im Ergebnis äußerte sich der Bundesrat gar nicht zum Anwendungsbereich des Gesetzes. Nun bleibt abzuwarten, ob die Bundestagsausschüsse diese Frage aufgreifen und eine Regelung vorschlagen werden.
Bewertung
Der Grundgedanke, fossile Abfallbestandteile zu bepreisen, ist sicherlich sinnvoll. Idee des Brennstoffemissionshandels ist es, das Inverkehrbringen klimaschädlicher Produkte an der Quelle zu steuern und Klimakosten einzupreisen (Upstream-Emissionshandel). In Bezug auf Abfälle kann dieses Ziel am besten erreicht werden, wenn der CO2-Preis fossiler Abfallbestandteile nicht erst bei der Entsorgung, sondern bereits bei der Herstellung der Produkte zu zahlen ist, die später als Abfall entsorgt werden müssen.
Wesentlich effizienter als die Einbeziehung von Abfällen als Brennstoffe wäre damit die Einbeziehung fossiler Grundstoffe für Produkte in den Emissionshandel, z.B. fossile Grundstoffe zur Herstellung von Kunststoffverpackungen, synthetischen Textilien oder sonstigen Kunststoffen. Das entspräche dem Aktionsplan der Kommission für die Kreislaufwirtschaft vom März 2020 und dem Gedanken der Kunststoffabgabe im Rahmen der EU-Kunststoffstrategie von 2018. Es würde bereits am Anfang der Wertschöpfungskette für die Hersteller von Produkten ein ökonomischer Anreiz geschaffen, fossile Kunststoffe durch Recyclingkunststoffe, biogene Kunststoffe oder biogene Materialien wie Holz zu ersetzen. Der ordnungsrechtliche Ansatz der geplanten und unionsrechtlich vorgegebenen Einwegkunststoffverbotsverordnung würde dadurch ergänzt.
Eine Alternative wäre, nur mittel- und hochkalorische Abfälle dem Emissionshandel zu unterwerfen. Abfälle, die keine gemischten Siedlungsabfälle sind und einen Heizwert von mehr als 18 MJ/kg haben (z.B. Altreifen), sind bereits jetzt energiesteuerpflichtig. Solche Abfälle unterfallen dem BEHG unabhängig von den oben dargestellten Meinungsverschiedenheiten ab 2023 in jedem Fall. Im Rahmen der Anpassung der Rechtsgrundlagen für den EU-Emissionshandel für stationäre Anlagen im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) wollte die Bundesregierung im Jahr 2011 Abfallverbrennungsanlagen ab einem durchschnittlichen Heizwert der Abfälle von 13 MJ/kg unterwerfen. Damals hatte der Bundestag diese Erweiterung des EU-Emissionshandels abgelehnt. Die Einbeziehung solcher Anlagen in das TEHG wäre aber vermutlich zielgenauer, effizienter und mit weniger Verwaltungsaufwand für Verpflichtete und Behörden verbunden als eine generelle Einbeziehung von Abfällen als Brennstoffe in das BEHG.
Biobrennstoffe
Für biogene Brennstoffe wie Klärschlamm, Klärgas und andere Biogase stellt sich die Frage nach dem Sinn der Einbeziehung in das BEHG, wenn die bei deren Verbrennung entstehenden Emissionen ohnehin als biogene Emissionen mit dem Emissionsfaktor Null bewertet werden. Für die Mengenerfassung enthalten das Umweltstatistikgesetz (Abfälle) und das Energiestatistikgesetz (Biogase, Klärschlamm) bereits detaillierte Anforderungen.
Einbeziehung von Abfällen in das BEHG und Verbrennungsanlagen in das TEHG
Unabhängig davon, ob und inwieweit Abfälle in das BEHG einbezogen werden sollten, zeigt die bisherige Diskussion jedenfalls, dass eine gesetzliche Klarstellung des Anwendungsbereichs notwendig ist, damit die Betroffenen Rechtssicherheit haben und sich auf ihre künftigen Verpflichtungen aus dem BEHG einstellen können. Ferner sollte klar geregelt werden, ob wirklich alle ca. 750 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und weitere private Entsorger als Inverkehrbringer von Abfällen zur Verbrennung durch das BEHG verpflichtet werden sollen. Wenn die Abfallverbrennung überhaupt emissionshandelspflichtig werden soll, läge es näher, die Betreiber der ca. 30 Ersatzbrennstoff-Verbrennungsanlagen oder der ca. 70 Restmüllverbrennungsanlagen in den Anwendungsbereich des EU-Emissionshandels nach dem TEHG einzubeziehen.