Wann sind kommunale Eigengesellschaften öffentliche Auftraggeber?
Kommunale Wohnungsbauunternehmen sollen nach aktueller Auffassung des OLG Hamburg keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne des Vergaberecht sein, v.a. wenn sie mit Gewinnerzielungsabsicht auf einem echten Nachfragemarkt agieren. Das OLG hat insoweit nähere Hinweise zur Auslegung von § 99 GWB gegeben.
Der Fall
Die Wohnungsbaugesellschaft W GmbH, die im Eigentum der Stadt HH steht, hatte Generalunternehmerleistungen für den Neubau von 104 Wohnungen, Gewerberäumen und 31 Tiefgaragenstellplätzen im Wert von über 14 Mio. € ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens vergeben. Dies war als vermeintlich rechtswidrige de-facto Vergabe angegriffen worden. Zur Begründung hatte sich der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren darauf bezogen, W nehme für die Stadt Aufgaben der Wohnraumversorgung und damit öffentliche Interessen wahr und sei nicht gewerblich tätig. Es sei als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Oberschwellenvergaberechts einzustufen. Nachdem die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag abweist, legt B Beschwerde zum OLG Hamburg ein.
Aufgabenerfüllung gewerblicher Art?
Voraussetzung für die Anwendung des EU-Vergaberechts durch eine kommunale Eigengesellschaft ist nach § 99 Nr. 2 GWB, dass diese eine Aufgabe erfüllt, die im Allgemeininteresse liegt. Diese Anforderung wird quasi regelmäßig von kommunalen Gesellschaften erfüllt und wird bei der Abfallentsorgung ebenso anerkannt wie der Bereitstellung von günstigem Wohnraum. Allerdings scheidet die Einordnung einer Gesellschaft mit dieser Ausrichtung als öffentlicher Auftraggeber dann aus, wenn diese ihre Aufgaben in gewerblicher Art erfüllt. Maßgeblich für die Beurteilung der Gewerblichkeit sind dabei die Rahmenbedingungen, unter denen eine Gesellschaft tätig wird.
Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es dabei insbesondere darauf an, ob die Gesellschaft in einem funktionierenden Markt tätig ist, auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist und die mit ihrer Tätigkeit verbundene Kosten und Verluste selbst tragen muss.
Abgrenzungskriterium Gewinnerzielungsabsicht
Anknüpfend an diese Kriterien hat das OLG Hamburg (Beschluss vom 11.02.2019, 1 Verg 3/15) die W als kommunale Wohnungsbaugesellschaft nicht als Auftraggeber eingeordnet. Insbesondere ging es davon aus, die Gesellschaft handle mit Gewinnerzielungsabsicht. Die Tatsache, dass in der Vergangenheit erhebliche Gewinne erwirtschaftet und reinvestiert wurden, reichte dem OLG aus, zumal die GmbH im laufenden Verfahren eine Gemeinnützigkeitsklausel aus der Satzung gestrichen hatte. Öffentliche Mittel nahm sie nicht in Anspruch.
Abgrenzungskriterium Wettbewerb
Vor allem aber trat die Gesellschaft auch in echten Wettbewerb mit privaten Wohnungsbauunternehmen auf dem Hamburger Mietwohnungsmarkt. Dass Argument, auf dem lokalen Wohnungsmarkt herrschten keine Marktbedingungen, weil dieser so angespannt sei, dass die Nachfrage nach günstigem Wohnraum das Angebot übersteige, lässt das OLG nicht gelten. Maßgeblich sei, ob sich die Gesellschaft durch Zutun des Staates in einer marktbezogenen Sonderstellung befand, was nicht der Fall war. Schließlich bestanden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt eine mögliche Insolvenz der Gesellschaft abwenden würde.
Für die Frage, ob kommunale Eigengesellschaften öffentliche Auftraggeber sind und deshalb oberhalb der Schwellenwerte europaweit ausschreiben müssen, kommt es entscheidend darauf an, ob es auf dem relevanten kommunalen Markt ernstzunehmende Wettbewerber gibt oder sich das Unternehmen in einer „Quasi-Monopol-Stellung“ befindet. Beim Wohnungsmarkt herrschen in dieser Hinsicht regional große Unterschiede.
Bedeutung für andere Bereiche der Daseinsvorsorge?
Dagegen wird bei Aufgaben, welche an eine ausschließliche Zuständigkeit der Kommune geknüpft sind und daher gar nicht frei im Markt angeboten werden können (z.B. öffentliche Abfallentsorgung, kommunale Abwasserbeseitigung), weiterhin regelmäßig die Auftraggebereigenschaft einer kommunalen Gesellschaft zu bejahen sein.