Zugriff für Auftraggeber auf Teilnahmeanträge vor Fristablauf: Vorsicht Ausschluss!
Stellt der Bieter seinen Teilnahmeantrag in den für den Auftraggeber jederzeit frei zugänglichen Rubrik "Bieterkommunikation" im "Projektraum" des elektronischen Vergabeportals ein, droht der Ausschluss, weil der Geheimwettbewerb nicht gewahrt ist.
Elektronisch eingereichte Teilnahmeanträge sind nämlich auch bei einer europaweiten Vergabe von Bauleistungen so zu verschlüsseln, dass ein vorzeitiger Zugriff auf die empfangenen Daten nicht möglich ist. Das hat die Vergabekammer Lüneburg entschieden.
Formanforderungen an die Einreichung eines Teilnahmeantrags bei E-Vergabe
Die Vergabekammer wendete dabei in einem Beschluss vom 11.12.2018 (VgK-50/2018) für die Anforderungen an die Einreichung eines Teilnahmeantrags den § 16 EU Nr. 2 i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A analog an.
Ausdrückliche Anforderungen an die Form der Einreichung von Teilnahmeanträgen fänden sich in der VOB/A-EU nicht. Dies sei nur für Angebote der Fall. Die damit bestehende Regelungslücke sei auch planwidrig, weil die VOB/A-EU materiell nicht von den Regelungen der VgV abweichen, sondern diese vielmehr nachzeichnen wollte.
Analoge Anwendung von Vorgaben an Angebote
In §§ 57, 53 und 10 VgV sei hingegen bestimmt, dass die Anforderungen für Angebote auch für Teilnahmeanträge gelten.Daher erscheine eine analoge Anwendung geboten. Gemäß § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A habe der Auftraggeber die Datenintegrität und Vertraulichkeit der Angebote zu gewährleisten, was entsprechend für Teilnahmeanträge gelte. Die Vergabekammer könne nicht ausschließen, dass der Inhalt der Teilnahmeanträge bei Übermittlung über den falschen Eingabebereich nicht durch Unbefugte ausgelesen werden könne. Teilnahmeanträge seien daher ebenso wie Angebote bis zu deren Öffnung vor dem Zugriff durch Verschlüsselung zu schützen. Der Grundsatz des Geheimwettbewerbs sei schon bei Kenntnis der Identität oder Anzahl konkurrierender Wettbewerber verletzt, so dass es nicht darauf ankomme, dass der Teilnahmeantrag keine schützenswerten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalte. Dementsprechend sei der öffentliche Auftraggeber ohne eigenes Ermessen verpflichtet, Teilnahmeanträge, die nicht ordnungsgemäß verschlüsselt übermittelt worden sind, auszuschließen.
Anforderungen an Einhaltung Geheimwettbewerb
Der Geheimwettbewerb gehört zu den wichtigsten Verfahrensegeln des Vergaberechts ober- und unterhalb der Schwellenwerte. Die Einführung der E-Vergabe soll zur Vereinfachung der Verfahrensabläufe beitragen. Insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der formalen Vorgaben birgt sie jedoch auch neues Gefahrenpotential.
Für Auftraggeber empfiehlt sich zur Vermeidung von Fehlern der Bieter bzw. Bewerber ein ausdrücklicher und deutlicher Hinweis auf die zu beachtenden Vorgaben bei der Einreichung von Angeboten bzw. Teilnahmeanträgen, um der Notwendigkeit des Ausschlusses aus dem Vergabeverfahren wegen Formmängel vorzubeugen. Auch die Anbieter von Plattformen sind aufgerufen, hier in stärkerem Maße als bisher „Fehlbedienungen“ auszuschließen.
[GGSC] berät regelmäßig öffentliche Auftraggeber bei der Durchführung von Vergabeverfahren.