EuGH: Kommunen dürfen in „Hilfsgeschäften“ vergabefrei zusammenarbeiten
Auch eine interkommunale Kooperation über Hilfsgeschäfte als Voraussetzung für die Erbringung öffentlicher Aufgaben kann sich als vergabefrei zulässig erweisen. Das hat der EuGH mit Urteil vom 28.5.2020 entschieden.
Gleichzeitig hat er betont, dass eine solche Kooperation nicht zur Besserstellung eines privaten Unternehmens gegenüber anderen führen darf (Urteil vom 28.05.2020, Az.: C 796-18).
Enger zeitlicher Zusammenhang zum EuGH-Urteil vom 04.06.2020 i.S. interkommunale Kooperation
In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hat sich der EuGH also 2020 ein zweites Mal zum rechtlichen Rahmen für die zulässige, vergabefreie interkommunalen Kooperation geäußert. Die Entscheidung vom 4.6.2020 zu den Anforderungen an eine „Zusammenarbeit“ i.S. der EU-Vergaberichtlinie hatten wir bereits ausgewertet und in einem extra hierfür angesetzten Online-Seminar diskutiert .
Sachverhalt
Zu entscheiden war über die entgeltfreie Überlassung einer Software zur Leitung von Feuerwehreinsätzen durch das Land Berlin an die Stadt Köln. Schon im Vertrag zum Erwerb der Software war dem Land Berlin das Recht eingeräumt worden, die Software an andere „Behörden mit Sicherheitsaufgaben“ weiterzugeben. Die Parteien hatten weiter vereinbart, die Software auf eigene Kosten an die Bedürfnisse weiter anzupassen, z.B. durch Hinzufügung neuer, fachlicher Funktionalitäten in Form „ergänzender und aufbauender fachlicher Module“. Diese sollten dem jeweiligen Partner dann wieder kostenlos bzw. kostenneutral zur Verfügung gestellt werden. Von einem Partner war im Laufe des Verfahrens vorgetragen worden, dass die an ihn überlassene Software jährlich drei- bis viermal erheblich modifiziert werde. Der wirtschaftliche Wert dieser Modifikationen erweise sich auf lange Sicht als deutlich höher als der für den ursprünglichen Erwerb der Software. Ein Softwareentwickler hatte dies als für den jeweils anderen Partner geldwerten Vorteil eingestuft, den Vertrag als vergabepflichtig beurteilt und einen Nachprüfungsantrag gestellt.
Kooperationsvertrag unterfällt dem EU-Vergaberecht
Der Gerichtshof prüfte zunächst, ob ein solches Vertragsgeflecht überhaupt in den Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts bzw. der entsprechenden EU-Richtlinie 2014/14 EU fällt. Er sah in der Überlassung einerseits und der Verpflichtung auch des „Empfängers“, diese ständig zu aktualisieren andererseits zwingend miteinander verknüpfte, gegenseitige Pflichten („synallagmatisch“). Demzufolge wurde das Vertragswerk als „entgeltlich“ eingestuft und soll unter das europäische Vergaberecht fallen.
Auch Hilfsgeschäfte tauglicher Gegenstand einer vergabefreien Kooperation
Gleichzeitig geht der EuGH davon aus, dass eine vergabefreie interkommunale Kooperation auch für „akzessorische“ Hilfsgeschäfte zwischen Hoheitsträgern in Betracht kommt. Konkret ließ das Gericht offen, ob es sich bei der hier streitigen Software überhaupt um ein Hilfsgeschäft handelt.
Vorsicht: Verbot der Besserstellung eines privaten Unternehmens!
Schließlich weist der Gerichtshof auf die entsprechende Vorlagefrage des OLG Düsseldorf darauf hin, dass das von ihm 2009 und noch vor der Vergabereform aufgestellte Verbot einer Besserstellung privater Unternehmen bei interkommunalen Kooperationen weiterhin beachtet werden muss, auch wenn es im Text der EU-Vergaberichtlinie 2014 und den dortigen Voraussetzungen für die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit nicht erwähnt wird. Im Urteil deutet der EuGH an, dass diesem Verbot vor allem dann Rechnung getragen wird, wenn die Weiterentwicklungen der Software – z.B. aufgrund der Weitergabe des Quellcodes – so ausgeschrieben werden können, dass nicht nur der Hersteller der Software, sondern auch andere Anbieter für einen Zuschlag in Betracht kommen. Damit muss sich nun das vorlegende OLG Düsseldorf befassen.
[GGSC] berät bei der Ausgestaltung von vergabefreien Kooperationen und verfügt dort über weitreichende Erfahrungen.