§ 2b UStG: Handlungsbedarf!
Spätestens ab dem 01.01.2021 gilt für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) § 2b UStG, der einen Systemwechsel der Besteuerung der öffentlichen Hand einleitet. Nach früher geltendem Recht waren jPöR nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA) sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig und als solche umsatzsteuerpflichtig. Der Neuregelung des § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG zufolge sind jPöR künftig hingegen nur noch unter verschärften Anforderungen umsatzsteuerfrei. Das BMF hat sich in seinen Schreiben vom 16.12.2016, 14.11.2019, 15.11.2019 und vom 29.11.2019 mit Einzelfragen beschäftigt.
Erhebung privatrechtlicher Entgelte – Handlungsbedarf!
Viele öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger erheben z. B. für die Annahme von Abfällen an Deponien oder Wertstoffhöfen privatrechtliche Entgelte. Anders als nach bisheriger Rechtslage werden diese Entgelte nach Auffassung des BMF ab dem 01.01.2021 grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig, ohne dass es darauf ankommt, ob eine abfallrechtliche Überlassungspflicht besteht oder nicht (vgl. Schreiben des BMF vom 29.11.2019). Soll die Umsatzsteuerfreiheit auch nach dem 01.01.2021 erhalten bleiben, sollten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger daher prüfen, ob die jeweiligen Leistungen mit Wirkung zum 01.01.2021 in den Geltungsbereich einer entsprechenden Gebührensatzung einbezogen werden können.
Hilfsgeschäfte – Verkauf von Strom und Altpapier
Das BMF hat sich in seinen Schreiben vom 14.11.2019 und 15.11.2019 außerdem mit hoheitlichen Hilfsgeschäften beschäftigt. Dem BMF zufolge ist die Veräußerung von Strom aber auch der Verkauf von Altpapier aus privaten Haushalten nicht als hoheitliches Hilfsgeschäft einzuordnen. Vielmehr liege eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung vor. Hinsichtlich des Vorsteuerabzuges gelten die allgemeinen Regelungen. Auch bei anderen Hilfsgeschäften, wie z. B. der Gebäudereinigung oder Grünpflegearbeiten, wird unter Berücksichtigung der Auffassung des BMF in vielen Fällen künftig von der Umsatzsteuerbarkeit auszugehen sein.
Umsatzsteuerfreiheit kommunaler Kooperationen in ernsten Schwierigkeiten
Im Jahr 2017 wurden in § 2b UStG Regelungen eingefügt, die die Umsatzsteuerfreiheit kommunaler Kooperationen sichern sollten. Das BMF stellt diese Entscheidung des Gesetzgebers in Frage:
JPöR gelten unter dem Regelungsregime des § 2b UStG dann nicht als Unternehmer, wenn sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden und keine größeren Wettbewerbsverzerrungen drohen. In § 2b Abs. 2 und 3 UStG wurden Regelbeispiele aufgenommen, bei deren Vorliegen die Wettbewerbsverzerrung ausgeschlossen sein sollte. Unter das Regelbeispiel des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG fallen bekanntlich viele kommunale Kooperationen, zumindest wenn es nach dem Willen des Gesetzgebers geht.
Das BMF legt § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG jetzt unter Berufung auf europarechtliche Grund-sätze einschränkend dahingehend aus, dass bei Vorliegen des Regelbeispiels nur noch eine Vermutung besteht, dass keine Wettbewerbsverzerrung gegeben ist. Das Fehlen der Wettbewerbsverzerrung soll dann im Einzelfall geprüft werden. Was dies genau bedeuten soll, lässt das BMF-Schreiben nur andeutungsweise erkennen, wenn darauf hingewiesen wird, es sei zu beurteilen, ob private Unternehmer potentiell in der Lage sind, vergleichbare Leistungen wie die öffentliche Hand zu erbringen. Was dies im Hinblick auf Leistungen mit Anschluss- und Benutzungszwang bedeutet, lässt das BMF offen.
Wir gehen davon aus, dass eine Wettbewerbsverzerrung immer dann nicht vorliegt, wenn Abfälle aufgrund der abfallrechtlichen Überlassungspflichten bzw. auf der Grundlage von Anschluss- und Benutzungszwang angenommen werden. Setzt sich diese Ansicht durch, werden weite Bereiche der abfallwirtschaftlichen kommunalen Kooperationen auch künftig umsatzsteuerfrei sein.
Geht man hingegen davon aus, dass die Finanzverwaltung diese Sichtweise ablehnen wird, so dass eine Wettbewerbsverzerrung auch bei Ausschluss- und Benutzungszwang nicht per se ausgeschlossen ist, so würde dies zu dem Ergebnis führen, dass viele kommunale Kooperationen – entgegen der Ziele des Gesetzgebers – künftig der Umsatzsteuer unterfallen. Entsprechende Gebührenerhöhungen wären die Folge.
Was also tun?
Soweit möglich sollten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, sofern sie Mitglied einer interkommunalen Kooperation sind, eine Wettbewerbsbeurteilung erarbeiten und auf dieser Grundlage zu der Frage der Umsatzsteuerbarkeit - soweit möglich - eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes einholen.
Anzumerken bleibt noch, dass die neu geschaffene sog. Kostengemeinschaft nach § 4 Nr. 29 UStG-E kaum weiterhelfen wird, schon weil auch hier die Steuerfreiheit nicht gilt, wenn Wettbewerbsverzerrungen drohen.
[GGSC] berät öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sowohl bei der Umstellung der Erhebung privatrechtlicher Entgelte auf Gebühren als auch bei der Ausgestaltung kommunaler Kooperationen und der Einholung verbindlicher Auskünfte gegenüber dem Finanzamt einschließlich der Erarbeitung einer Wettbewerbsbeurteilung.