Newsletter Abfall September 2019

[GGSC] erwirkt Baustopp für Erdgas-Reststoffbehandlungsanlage

EXXON Mobil darf vorerst nicht mit dem Bau einer Reststoffbehandlungsanlage (RBA) auf seinem Betriebsplatz Söhligen in Niedersachsen beginnen. Gemeinde, Samtgemeinde, BUND Niedersachsen und drei Nachbarn haben mit Unterstützung von [GGSC] gegen die Genehmigung geklagt.

Mit Beschluss vom 09.08.2019 (Az.: 12 MS 34/19) stellte das OVG Lüneburg die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her.

Die Reststoffbehandlungsanlage

In der RBA sollen quecksilberhaltige Reinigungswässer aus der Erdgasgewinnung durch EXXON Mobil Production Deutschland GmbH (EMPG) im Betriebsbereich Elbe-Weser zwischen Hannover und Bremen behandelt werden. EMPG will die Anlage auf ihrem Betriebsplatz Söhlingen im Außenbereich der Gemeinde Brockel, Samtgemeinde Bothel, errichten. Die Bevölkerung ist in hohem Maße sensibilisiert, weil im Krebsregister erhöhte Krebshäufigkeiten festgestellt wurden, die auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erdgasgewinnung zurückzuführen sein können. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hatte den Bau und Betrieb der Anlage nach einem förmlichen Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung im Mai 2018 immissionsschutzrechtlich genehmigt und den Sofortvollzug angeordnet. Eine UVP hielt das LBEG nach einer UVP-Vorprüfung nicht für erforderlich. Wasserrechtliche Erlaubnisse für Eingriffe in den Baugrund und die Niederschlagswasserbeseitigung sind bisher nicht erteilt worden.

Feststellungen des OVG Lüneburg

Das OVG Lüneburg hat – im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – ausdrücklich festgestellt, dass Überwiegendes dafür spricht, dass die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechte der Samtgemeinde verletzt. Das OVG beanstandet, dass das LBEG in der UVP-Vorprüfung wasserrechtliche Belange nicht ausreichend berücksichtigte. Die UVP-Vorprüfung verlangt eine Gesamtbewertung aller Umweltauswirkungen, auch wenn sie nicht vom LBEG im immissionsschutzrechtlichen Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern in einem separaten wasserrechtlichen Verfahren zu prüfen sind.

Missachtung des Koordinierungsgebotes

Das OVG hielt es auch für unzulässig, die vom LBEG in ein bergrechtliches Sonderbetriebsplanverfahren verlagerte Prüfung der Baugrundsicherheit aus dem immissionsschutzrechtlichen Verfahren auszuklammern. Das Gericht konstatierte jedenfalls eine Verletzung der Anforderungen an die Koordinierung der verschiedenen für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörden (Koordinierungsgebot). Es kritisierte insbesondere, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erlassen wurde, bevor der vom LBEG für erforderlich erachtete Antrag auf Erlass eines bergrechtlichen Sonderbetriebsplans überhaupt eingereicht worden war.

Das OVG Lüneburg beanstandete ferner, dass das LBEG die Abwasserentsorgung und den abwehrenden Brandschutz durch die Freiwillige Feuerwehr der Samtgemeinde nicht ausreichend berücksichtigte. Das OVG hat bisher nur über das Eilverfahren der Samtgemeinde entschieden. In den Parallelverfahren forderte das OVG das LBEG auf, eine behördliche Aussetzung des Sofortvollzugs zu prüfen. EMPG hat nach Pressemeldungen ein Expertenteam zusammengestellt, um eine andere technische Lösung oder die Realisierung an einem anderen Standort zu prüfen.

Rechtsfragen, über die nur in den Parallelverfahren zu entscheiden ist, sind damit noch offen. Dazu gehört vor allem die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der RBA im Außenbereich.

Samtgemeinde als Joker?

Dass das OVG Lüneburg ausgerechnet über das Eilverfahren der Samtgemeinde entschieden und die anderen Verfahren noch offen gelassen hat, überrascht. Denn das Gericht hat bisher nur eine Verletzung der Rechte der Samtgemeinde geprüft, die sich im Wesentlichen auf Abwasserbeseitigung und den abwehrenden Brandschutz beziehen. Zu den primär beeinträchtigten Rechten der Gemeinde im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens im Außenbereich, zum Gesundheits- und Eigentumsschutz der Nachbarn sowie zur umfassenden umweltrechtlichen Klagebefugnis des Umweltverbandes BUND hat sich das Gericht bisher noch nicht geäußert.

Bewertung

Das Verfahren bestätigt die Einschätzung der Gemeinde, dass das LBEG die Genehmigung ohne ausreichende Prüfung erteilt hat. Mit dem Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung und den zunehmend gerichtlich überprüfbaren Verfahrensanforderungen ist es nicht vereinbar, wesentliche Prüfungs- und Entscheidungsgegenstände aus dem immissionsschutzrechtlichen Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung in andere Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung auszulagern. Diese Verfahrensfehler sind allerdings in einem ergänzenden Verfahren heilbar. Die entscheidende Frage, ob das Vorhaben im Außenbereich überhaupt zulässig ist, ist weiterhin offen.

Man darf dennoch gespannt sein, ob das Gericht weitere Entscheidungen in dieser Sache treffen muss oder EMPG das Vorhaben an einen anderen, weniger konfliktträchtigen Standort verlagert. Denn auch wenn EMPG die Genehmigung weiter verteidigen will, wird es wegen der bereits jetzt festgestellten Defizite der UVP-Vorprüfung und der Verletzung des Koordinierungsgebotes große Teile des Verfahrens wiederholen und neue Antragsunterlagen erstellen müssen. Davor sollte aber gerichtlich geklärt werden, ob das Vorhaben an dem geplanten Außenbereichsstandort zulässig ist. Damit dürfte das Vorhaben an einem anderen, besser geeigneten Standort in einem Industriegebiet insgesamt schneller zu realisieren sein.

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