MVA: Rechtsprechung konturiert Entschädigungsgrundlagen für Netzabschaltungen
Neues von der Schnittfläche von Abfall- und Energierecht: In zwei jüngeren Entscheidungen sind die Grundlagen für Entschädigungsmöglichkeiten bei Netzabschaltungen konturiert worden.
BGH legt Netzengpass und damit Härtefallentschädigung weit aus!
Am 11.02.2020 hat der BGH eine wirtschaftlich relevante Entscheidung zur sog. Härtefallentschädigung für EEG-Anlagen-Betreiber bei Netzabschaltungen getroffen (Az.: XIII ZR 27/19). Die mit Spannung erwartete Revisionsentscheidung (Vorinstanz OLG Naumburg) stärkt die Position der Anlagenbetreiber stärker als erwartet. Sie bekräftigt nicht nur die Clearingstellenentscheidung (2015/48), sondern geht sogar noch darüber hinaus, indem sie das frühere BGH-Urteil zur entschädigungslosen Abschaltung bei Reparatur- und Wartungsarbeiten relativiert.
Aufgrund der Gesetzesbegründung und der späteren Clearingstellenentscheidung hatte [GGSC] zur Entschädigungspflicht nach § 12 Abs. 1 EEG 2012 oder § 15 Abs. 1 EEG 2014 stets die Auffassung vertreten, dass netzausbaubedingte Abschaltungen entschädigungspflichtig sind.
Diese überwiegend auch im Schrifttum vorherrschende Rechtsposition (teilweise mit Ausnahmen zu Bagatellfällen) war zuletzt durch das Berufungsurteil des OLG Naumburg und zwei in die gleiche Richtung weisende Berufungsurteile des OLG Brandenburg in Frage gestellt worden. Der BGH rehabilitiert diese Position nunmehr jedoch deutlich und weist die Sache zur Neuverhandlung und Entscheidung an das OLG Naumburg zurück.
Härtefallentschädigung auch für viele Reparatur- und Wartungsfälle
Unerwartet geht der BGH sogar noch darüber hinaus: Er stellt klar, dass Reparatur- und Wartungsarbeiten – anders als seine frühere Entscheidung vermuten ließ – ebenfalls einen Netzengpass begründen, wenn andere Stromerzeugungsanlagen in dem betreffenden Netzabschnitt weiterhin Strom einspeisen und die geregelte Anlage gerade zu diesem Zweck vom Netz getrennt werde. Ein Entschädigungsanspruch scheide lediglich dann aus, wenn durch die Reparaturarbeiten bspw. die Zuleitung der Anlage zum Netz unterbrochen werde und die Anlage sodann abhängig von den Netzkapazitäten nicht einspeisen könne.
Damit scheidet eine Härtefallentscheidung praktisch regelmäßig nur in den Fällen aus, in denen die Ursache für die Abschaltung nicht im Bereich des öffentlichen Netzes liegt und der „private“ Bereich (Kundenanlagen/Zuleitung) vollständig abgeregelt wird.
Konsequenzen und Empfehlung
Durch diese unerwartete Entwicklung dürfte eine Vielzahl reparatur- und instandhaltungsbedingter Abschaltungen (entgegen der bisherigen Praxis nahezu aller Netzbetreiber) entschädigungspflichtig sein.
Für Betreiber lohnt es sich also, zu prüfen, inwieweit solche Netzabschaltungen, die noch nicht verjährt sind, darunterfallen.
Dies gilt umso mehr, als der BGH in seiner Entscheidung auch klargestellt hat, dass für den grundsätzlich darlegungs- und beweislastpflichtigen Anlagenbetreiber als Anspruchssteller nur geringfügige Anforderungen an die Darlegung und den Beweis des Anspruchs bestehen.
Keine Entschädigung bei Notmaßnahme gemäß EnWG
In einer Entscheidung vom 20.03.2020 hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt die Konturen zu Abschaltmaßnahmen nach dem EnWG geschärft (Az.: 7 Kart 2/19). Der Entscheidung lag ein Streit über Vergütung bzw. Schadensersatz für die Anordnung einer Notmaßnahme zur Reduzierung der Stromeinspeisung an den Betreiber einer Müllverbrennungsanlage mit einer Nennleistung von 23,3 MW zugrunde.
Für die Einordnung von Abregelungen (marktbezogene oder Notfallmaßnahmen) komme es danach darauf an, auf welcher Grundlage der Netzbetreiber seinen Angriff vornehme, d. h. insbesondere wie er ihn rechtfertige.
Entschädigungspflichtige marktbezogenen Maßnahmen setzen grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung voraus. Diese scheitern häufig aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über Eingreifen und Höhe der Entschädigung zwischen den Anlagenbetreibern und dem Netzbetreiber. Hier helfen § 13 Abs. 1a EnWG a. F. bzw. § 13a EnWG n. F., die den Ausgleich gesetzlich determinieren.
Die in dem Fall zur Anwendung kommende Fassung des § 13 Abs. 1a EnWG aus dem Jahre 2012 war aufgrund der Größe der Müllverbrennungsanlage (>50 MW) allerdings nicht anwendbar.
Die aktuellen Regelungen, die ab dem Jahre 2021 gelten sollen, bieten hier weitere Entschädigungsmöglichkeiten.
Schlussfolgerungen für Anlagenbetreiber
Betreiber konventioneller Anlagen, die für etwaige Entschädigungsleistungen nicht § 13 Abs. 1a oder § 13a EnWG in Anspruch nehmen können, sind gut beraten, sich auf Vereinbarungen für marktbezogene Maßnahmen einzulassen, um bei EnWG-Netzabschaltungen Einnahmeeinbußen abzufedern.
[GGSC] berät Anlagenbetreiber zu energierechtlichen Fragestellungen.