Was ist die EU-Plastiksteuer?
Die sogenannte „EU-Plastiksteuer“ soll ab 2021 eine neue Bemessungsgrundlage für Beiträge der EU-Mitgliedstaaten zur Finanzierung der EU sein. Offen ist, ob und wie sie auf nationaler Ebene zu einer Bepreisung von Kunststoffabfällen führen wird.
Ein öffentlich verkündetes Ergebnis der Mammutsitzung des EU-Rates vom 17. bis 21.07.2020 war ein Beschluss zu einer EU-Plastiksteuer ab 2021. Damit ist Folgendes gemeint:
Verpackungsabfälle als Bemessungsgrundlage
Der EU-Haushalt finanziert sich nach Maßgabe des Ratsbeschlusses 2014/335/EU über das Eigenmittelsystem aus sogenannten Eigenmitteln. Dazu gehören traditionelle Eigenmittel wie Einnahmen aus Zöllen, aber auch Beiträge der Mitgliedstaaten. Bemessungsgrundlage sind bisher die Mehrwertsteuereinnahmen und das Bruttonationaleinkommen. Für die Zeit ab 2021 soll ein neuer Beschluss über das Eigenmittelsystem erlassen werden. Darin ist ein weiterer Beitragstyp vorgesehen. Er ergibt sich als einheitlicher Abrufsatz auf das Gewicht der in dem jeweiligen Mitgliedstaat angefallenen nicht recycelten Verpackungsabfälle aus Kunststoff. Der Abrufsatz soll 0,80 €/kg betragen. So ist es in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der aktuellen Fassung des Beschlussentwurfes in der Fassung vom 29.07.2020 vorgesehen.
Diesen Entwurf hat der Rat im Juli 2020 beschlossen. Er soll zum 01.01.2021 in Kraft treten. Dazu muss aber noch das EU-Parlament angehört werden (14.09.2020) und der Rat den Beschluss endgültig annehmen. Er wird nur wirksam, wenn ihm anschließend alle Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Anforderungen zugestimmt haben, z.B. durch Parlamentsbeschluss. Das wird voraussichtlich Monate dauern. Der Beschluss soll aber dennoch - rückwirkend – zum 01.01.2021 in Kraft treten. Außerdem sollen in einer Durchführungsverordnung Regelungen zur Kontrolle und Überwachung einschließlich etwaiger Mitteilungspflichten festgelegt werden.
Die sogenannte „EU-Plastiksteuer“ ist damit gar keine Steuer, sondern eine Bemessungsgrundlage für Beiträge der Mitgliedstaaten zur Finanzierung der EU. Für Deutschland wird nach Presseberichten mit entsprechenden Beiträgen in Höhe von mehr als 1,3 Milliarden Euro pro Jahr gerechnet.
Nationale Umsetzung?
Spannende Frage ist nun, ob und gegebenenfalls wie die Mitgliedstaaten diese finanzielle Belastung weitergeben. Das müssen sie nicht; sie können den Beitrag wie jeden anderen Beitrag aus den nationalen Haushalten finanzieren.
Die Bemessungsgrundlage ist allerdings darauf angelegt, Lenkungswirkung im Hinblick auf eine Reduzierung der nicht recycelten Verpackungsabfälle zu entfalten. Der Beschlussvorschlag stützt sich explizit auf die europäische Kunststoffstrategie vom 20.01.2018, in der eine Internalisierung der Umweltkosten der Abfallentsorgung und eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Kunststoffrecyclings durch Steuern oder Beiträge hervorgehoben wird. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob und wie diese Kosten in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten auf die Verursacher der Verpackungsabfälle abgewälzt werden.
Eine nahe liegende Refinanzierung wäre die Einführung einer echten Plastiksteuer auf nicht recycelte Verpackungsabfälle auf nationaler Ebene. Alternativ käme auch eine Refinanzierung durch Einbeziehung der Abfallverbrennung in den Brennstoffemissionshandel in Betracht (vgl. dazu den [GGSC] Newsletter Abfall vom Juli 2020). Sie würde zwar primär der Vermeidung von Treibhausgasemissionen dienen, aber damit auch auf die Vermeidung und Verwertung von fossilen Abfallbestandteilen abzielen.
Zu kärende Fragen
Zu klären wäre dann, ob nur die von der EU-Bemessungsgrundlage erfassten nicht recycelten Verpackungsabfälle oder auch sonstige nicht recycelte Kunststoffabfälle oder Kunststoffe in ein nationales Bepreisungssystem einbezogen werden sollten.
Fraglich ist weiter, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette eine solche Bepreisung erfolgen sollte. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat dazu in seinem Umweltgutachten 2020 verdeutlicht, dass Lenkungsabgaben am Anfang des Materialstroms am effizientesten und wirkungsvollsten sind. Als Beispiele werden Ressourcenabgaben, Rohstoffabgaben, Prozessabgaben und Produktabgaben genannt. Abfallabgaben oder Abfallgebühren, über die etwaige Mehrkosten bei der Abfallentsorgung (z.B. durch die Einbeziehung von Abfällen in den Brennstoff- oder den EU-Emissionshandel) von den Abfallerzeugern zu refinanzieren wären, wird dagegen nur geringe Lenkungswirkung beigemessen.
Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten?
Die „EU-Plastiksteuer“ gilt nur für die im jeweiligen Mitgliedstaat angefallenen, also nicht die dort entsorgten Abfälle. Würde der Mitgliedstaat nur die Abfallverbrennung belasten, könnte die Kostenabwälzung leicht dadurch umgangen werden, dass die im Inland angefallenen Verpackungsabfälle als Ersatzbrennstoffe in einem anderen Mitgliedstaat verbrannt würden, in dem nur die dort angefallenen Abfälle mit Kosten belastet werden.
Wichtig ist deshalb auch, ob und wie andere Mitgliedstaaten diese Kosten auf die Verursacher abwälzen. Italien hat bereits eine Plastiksteuer beschlossen. Spanien will folgen. Unterschiedliche Regelungssysteme der Mitgliedstaaten können hier erhebliche Verzerrungen bewirken.
Aus Sicht von [GGSC] sollte deshalb am besten das Inverkehrbringen von fossilen und nicht recycelten Kunststoffen besteuert oder emissionshandelspflichtig werden. Die Hersteller würden die Mehrkosten über die Produktpreise an folgende Hersteller in der Wertschöpfungskette und letztlich an die Verbraucher weitergegeben. So können Anreize zur Vermeidung fossiler Kunststoffe, Verwendung von Recyclingkunststoffen oder anderer Materialien geschaffen werden. Damit würden zugleich Anreize zur Vermeidung und stofflichen Verwertung von Kunststoffabfällen und zur Reduzierung fossiler Treibhausgasemissionen bei der Abfallverbrennung geschaffen. Die Bepreisung muss allerdings so hoch sein, dass ökologische Alternativen tatsächlich attraktiv genug und weiter entwickelt werden und nicht nur die Preise steigen.