Newsletter Abfall September 2020

PPK-Sensation: BMU hält an Recht einseitig-verbindlicher Vorgabe des Volumenfaktors durch örE fest!

"Wir sehen in diesem Bereich keinen Bedarf, die Regelungen des Verpackungsgesetzes (VerpackG) zu ändern. Die vorgeschlagene Änderung des § 22 Abs. 4 Satz 5 2. Hs. VerpackG halten wir nicht für erforderlich.

Bereits jetzt kann nach dieser Vorschrift der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger einseitig-verbindlich vorgeben, dass bei der Bestimmung des angemessenen Entgelts der ansatzfähige Kostenanteil nach dem Volumenanteil der Verpackungsabfälle aus PPK an der Gesamtmenge der in den Sammelbehältern erfassten Abfälle berechnet wird. Das in § 22 Abs. 4 VerpackG verankerte Wahlrecht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers soll ermöglichen, die Berechnungsmethode zu wählen, die die tatsächliche Kostenverteilung am gerechtesten wiedergibt (vgl. BT-Drs. 18/11274, S. 113). So kann der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger – möglichst im Zusammenwirken mit den dualen Systemen – etwa besonders voluminöse Verpackungsabfälle aus PPK berücksichtigen“.

Diese Äußerungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) an den MdB Willsch hatte den Rheingau-Taunus-Kreis und [GGSC] als die beratenden Anwält*innen auf den Plan gerufen. Es folgte ein Email-Austausch und die Verabredung einer Besprechung von Herrn Schmid-Unterseh und Herr Dr. Klein vom BMU, den Geschäftsführern des Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Rheingau-Taunus-Kreis, Herrn Heil und Herrn Petri, und den dortigen Wahlkreisabgeordneten im Deutschen Bundestag, Herrn Willsch (CDU), Herrn Rabanus (SPD) und Herrn Müller (FDP) sowie mit den [GGSC] Rechtsanwälten Prof. Hartmut Gaßner, Dr. Frank Wenzel und Linus Viezens zu einem Austausch am 07.09.2020 in Berlin.

Schriftlicher Austausch zwischen [GGSC] und BMU

RA Gaßner hatte das BMU im Vorfeld darauf hingewiesen, dass der falsche Eindruck erweckt werde, der örE könne einseitig-verbindlich vorgeben, dass das Entgelt nach dem Volumenanteil berechnet wird. Weiter könne der Eindruck entstehen, es bestünde mit Blick auf das angeführte Kooperationsprinzip für den örE nicht einmal ein gerichtlich geltend zu machender Anspruch auf ein angemessenes Entgelt.

Darauf erwiderte Dr. Klein für das BMU:

„Zum einen halten wir unsere Aussage in dem Antwortschreiben an Herrn MdB Willsch für korrekt, dass der örE gem. § 22 Absatz 4 Satz 5 Halbsatz 2 VerpackG einseitig-verbindlich vorgeben kann, dass bei der Bestimmung des Entgelts der ansatzfähige Kostenanteil nach dem Volumen berechnet wird. Hierbei handelt es sich um ein Wahlrecht des örE, welches er durch einseitige Willenserklärung gegenüber den Systemen – also keine Einigung erforderlich (!) – ausüben kann. Dass dies hoheitlich durch einen Verwaltungsakt geschehen können soll, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus unserem Antwortschreiben und trifft nach unserer Auffassung auch nicht zu. Sollten die Systeme der verbindlichen einseitigen Entscheidung des örE nicht nachkommen, muss diese notfalls gerichtlich durchgesetzt werden.

Zum andern sind auch unsere weiteren Aussagen zum Entgeltanspruch des örE nach § 22 Absatz 4 VerpackG in unserem Antwortschreiben inhaltlich korrekt und vermutlich lediglich falsch verstanden worden. Wir beziehen uns dort auf die Möglichkeit des örE, einen unmittelbaren Anspruch gegen die Systeme auf Zahlung eines konkreten Geldbetrages geltend zu machen. Ein solcher unmittelbarer Zahlungsanspruch ergibt sich aber nicht aus dem Gesetz. Die einen solchen Anspruch grundsätzlich bejahende frühere Auslegung des BVerwG zu § 6 Absatz 4 VerpackV ist aufgrund des geänderten Wortlauts nicht auf das VerpackG übertragbar, denn in § 22 Absatz 4 Satz 1 VerpackG wurden nun die Wörter „im Rahmen der Abstimmung“ eingefügt. Folglich besteht lediglich ein – gerichtlich durchsetzbarer – Anspruch des örE auf Einfügung einer angemessenen Entgeltzahlungsklausel in die Abstimmungsvereinbarung, welche jedoch hinsichtlich der Einzelheiten des Zahlungsanspruchs (insbes. der Anspruchshöhe) unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Systeme steht. Ein unmittelbarer Zahlungsanspruch ergibt sich dann erst aus der Abstimmungsvereinbarung, sobald diese einvernehmlich beschlossen wurde“.

Diese Ausführungen machten eine weitere Zuspitzung von Seiten [GGSC] erforderlich:

„[…] Wir sind uns einig, dass § 22 Abs. 4 VerpackG, insbesondere infolge der Einfügung des „im Rahmen der Abstimmungsvereinbarung“ eine Lesart zulässt, nach der es keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch des örE gibt. Der örE muss aber darauf klagen können, dass die Systeme zu einer Abstimmungsvereinbarung verpflichtet werden, die den Ansprüchen des örE auf ein angemessenes Entgelt gerecht wird. Hierzu reicht die von Ihnen angesprochene Entgeltklausel nicht, wenn beispielsweise die Bestimmung der Vollkosten nach dem BGebG in Streit steht. Also prüfen Sie bitte nochmals Ihre Unterscheidung zwischen Klage auf Entgeltklausel und ggf. Vorbehalt der Zustimmung der Systeme zu Einzelheiten des Zahlungsanspruchs. Auch insoweit muss eine Klage auf entsprechende Inhalte der Abstimmungsvereinbarung möglich sein; das ist dann kein unmittelbarer Zahlungsanspruch, verhindert aber eine Konstruktion einer Klage auf grundsätzliche Klärung der Inhalte einer Abstimmungsvereinbarung und einer Regelung von Einzelheiten, die außerhalb einer Abstimmungsvereinbarung bleiben soll und nach Ihren Ausführungen unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Systeme steht […]“.

Und die schriftliche Rückäußerung von Dr. Klein (BMU) lautet:

„[...] inhaltlich sind wir in dieser Frage nach meiner Einschätzung schon sehr nah beieinander. Auch uns erscheint es aus prozessualer Sicht sinnvoll, die Klage auf Zustimmung zu einer angemessenen Entgeltregelung auf Volumenbasis so konkret zu formulieren, dass der Antrag bereits die vollständige Regelung enthält, die nach Auffassung der Kläger in die Abstimmungsvereinbarung aufzunehmen ist. Im Falle eines Obsiegens würde der Beklagte dann verurteilt, der beantragten Entgeltklausel im Rahmen der Abstimmung zuzustimmen. Eine darüberhinausgehende Einigung wäre dann nicht mehr erforderlich. Dazu ist es natürlich wichtig, dass sich die beantragte Entgeltregelung, einschließlich eventueller Kostenpositionen, möglichst nah an den Bemessungsgrundsätzen des BGebG orientiert, so wie es das VerpackG auch vorsieht. Der Verweis auf das BGebG dient ja gerade dazu, dass die Gerichte eine Entgeltregelung anhand eines konkreten Maßstabs überprüfen und im Zweifel den Beklagten – anders als früher nach der VerpackV – auch zur Zustimmung zu einer konkreten Entgeltregelung verurteilen können“.

BMUB bestätigt im Gespräch: Einseitige Zugrundelegung des Volumens durch örE zulässig

Das verabredete Gespräch fand am 07.09.2020 mit den oben genannten Beteiligten durch eine Videoverbindung zwischen Bonn und Berlin statt.

Es wurde von Seiten des BMU unterstrichen, dass es das genannte Wahlrecht des örE gibt und seine Durchsetzung nicht eines Verwaltungsaktes (wie bei einer Rahmenvorgabe) bedarf. Der örE hat für den Fall einer Ablehnung durch die Systeme einen gerichtlichen Anspruch auf eine Berechnung des Kostenanteils unter Berücksichtigung des Volumens der PPK-Verkaufsverpackungen. Den Anspruch muss der örE in der Weise geltend machen, dass er auf die Zustimmung zur Aufnahme eines Volumenfaktors in die Abstimmungsvereinbarung klagt, wie das [GGSC] bereits für den Rheingau-Taunus-Kreis klageweise ausformuliert hat.

Im Gespräch wurde auf die Verweigerungshaltung der Systeme eingegangen und ihr Rückzug auf die sog. Kompromiss-Empfehlung, die durch den Preisverfall am PPK-Verwertungsmarkt obsolet geworden ist. Es wurde eine Initiative angesprochen, die kommunalen Spitzenverbände zu einer Neuorientierung aufzufordern und sich der Positionierung des BMU anzuschließen. Das BMU sieht auch die Länder in der Pflicht, mit Auslaufen der alten Abstimmungsvereinbarungen zum 31.12.2020 auf einen Gesetzesvollzug zu drängen und von den Systembetreibern dem Verpackungsgesetz entsprechende Abstimmungsvereinbarungen einzufordern. Leider konnte das BMU (noch) nicht von der Notwendigkeit einer Initiative zur Präzisierung der PPK-Regelungen des § 22 Abs. 4 VerpackG überzeugt werden; das BMU verwies auf eine im Jahr 2021 anstehende Evaluierung des Gesetzes.

Gleichwohl sollte nach Auffassung von [GGSC] auf weitere Diskussionen im parlamentarischen Raum sowie auf Aktivitäten der kommunalen Vertretungen der örE gedrängt werden.

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