OVG Berlin-Brandenburg stärkt Rechte von Plannachbarn
Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen müssen planende Gemeinden auch die Belange von Grundeigentümern eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks (Plannachbar) berücksichtigen.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch der Plannachbar im Normenkontrollverfahren antragsbefugt ist, wenn er belastenden Einwirkungen der durch den Plan ermöglichten Nutzungen ausgesetzt sein wird. Der Plannachbar muss also eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen können. Abwägungserhebliche Belange sind aber nur dann gegeben, wenn die planungsbedingte Beeinträchtigung eine Geringfügigkeitsgrenze überschreitet.
Die Rechte von Plannachbarn hat das OVG Berlin-Brandenburg nun mit einem Urteil vom 28.02.2023 (2 A 18.19) ausgeweitet. Dem antragstellenden Plannachbarn ging es in diesem Fall um die gewerbliche Nutzung seiner an das Plangebiet angrenzenden Grundstücke, die darüber hinaus im Gebiet einer anderen Gemeinde liegen. Die Grundstücke verfügen derzeit über keine ausreichende Erschließung. Unter den Erschließungsvarianten befindet sich jedoch eine von dem Plannachbarn favorisierte Möglichkeit, die eine Nutzung der im Plangebiet liegenden privaten Zufahrt zur öffentlichen Straße vorsieht. Es handele sich derzeit um „gefangene“ Grundstücke, deren angemessene bauliche Nutzung unmöglich sei.
Das OVG entschied, dass der Plannachbar keine Tatsachen zu behaupten brauche, die konkret eine fehlerhafte Behandlung seiner abwägungserheblichen Belange durch den Satzungsgeber als möglich erscheinen lassen. Es genüge vielmehr, wenn er Tatsachen für die Existenz eines möglicherweise verletzten Belangs vortrage. Die Antragsbefugnis sei nur zu verneinen, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheide. Die Prüfung, ob das der Fall sei, dürfe nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorgenommen werden und in einem Umfang und einer Intensität erfolgen, die einer Prüfung der Begründetheit gleichkomme.
Wunsch nach Verbesserung als abwägungsrechtlicher Belang?
Bemerkenswert an dem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg ist, dass es im Ergebnis für die Antragsbefugnis genügen lässt, dass der Plannachbar der Sache nach eine Verbesserung seiner eigenen Situation erreichen will. Dies sei ein abwägungserheblicher Belang. Das Gericht lässt die Annahme genügen, dass planbedingte nachteilige Auswirkungen in der Form, dass die Erschließung der angrenzenden Grundstücke erschwert werden könnte, denkbar sind. Allein, dass sich durch den Bebauungsplan die Erschließungssituation für die „gefangenen“ Grundstücke des Plannachbarn dadurch weiter verschlechtern könne, dass der Plangeber eine gewünschte Erschließungsoption ablehnt, begründet einen abwägungserheblichen Belang.
Damit hat das Gericht die Möglichkeit für Normenkontrollanträge eröffnet, mit denen der Kläger zwar keine durch den Bebauungsplan verursachte oder zu erwartende Beeinträchtigung der eigenen Rechtsposition als Grundstückseigentümer geltend machen kann, sondern mit denen es ihm ausschließlich um den Wunsch nach einer Verbesserung des bauplanungsrechtlichen status quo und damit der Erweiterung des eigenen Rechtskreises geht. Ob diese Ausdehnung abwägungsrechtlicher Belange auf bloße Erwartungen von Plannachbarn nicht eine Vielzahl an kommenden Verfahren provoziert, bleibt ebenso abzuwarten wie die Reaktion anderer Obergerichte auf diese Rechtsprechung.