Neues BVerwG-Urteil zur Funktionslosigkeit des Baunutzungsplans für Berlin
Das BVerwG hat sich klarstellend zur Prüfung der Funktionslosigkeit des Baunutzungsplans geäußert und damit neue Potenziale für Wohnungsbau und Nachverdichtungsprojekte geschaffen.
Rechtslage
Noch immer gilt in vielen Teilen West-Berlins der Baunutzungsplan 1958/1960 als übergeleiteter Bebauungsplan fort, sofern er nicht funktionslos geworden ist. Funktionslos kann grundsätzlich auch eine isolierte Festsetzung im Bebauungsplan sein.
Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg entschied jedoch 2023, anders als zuvor der 2. Senat, dass die Festsetzung „Geschossflächenzahl“ (GFZ) grundsätzlich nicht funktionslos werden könne, da dieser Befund für Bürger*innen nicht „offenkundig“ sei (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.02.2023, OVG 10 B 15.18). Diese Feststellung war für den Wohnungsbau bzw. für Nachverdichtungsprojekte besonders ärgerlich, da selbst in der höchsten Baustufe V/3 nur eine GFZ von 1,5 zulässig ist.
Zudem entschied der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, dass es bei der Prüfung der Funktionslosigkeit auf den jeweiligen „Baublock“ ankomme, wohingegen der 2. Senat die gesamte betroffene „Baustufe“ des jeweiligen Baugebiets als maßgebliches Untersuchungsgebiet annimmt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.09.2020, OVG 2 B 10.17).
Das Urteil
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun klargestellt, dass nicht nur der Baublock, sondern ein größeres Plangebiet zu untersuchen ist. Außerdem kommt es für die Frage der „Offenkundigkeit“ der Funktionslosigkeit nicht auf den Empfängerhorizont eines „Durchschnittsbetrachters“ an. Vielmehr erfordert die „Offenkundigkeit“ besondere Fachkenntnisse, so das Bundesverwaltungsgericht (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.04.2024, 4 C 2.23).
Folgerungen
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht nur deshalb erfreulich, weil es den Streit über die Frage beendet, wie weit das Gebiet (Baublock oder Baustufe?) für die Prüfung der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans zu ziehen ist. Mit den getroffenen Feststellungen ist es nun nicht mehr zweifelhaft, dass auch die für den Wohnungsbau so wichtige Geschossflächenzahl in West-Berlin - im Einzelfall und nach entsprechender Prüfung - funktionslos werden kann.
Ist eine Festsetzung des Baunutzungsplans, wie etwa die Geschossflächenzahl, funktionslos, muss sich das Vorhaben hinsichtlich des betroffenen Nutzungsmaßes nur „in die nähere Umgebung einfügen“. Sind keine starren Maßzahlen einzuhalten und kommt es nur noch auf das „Einfügen“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB an, ergeben sich dadurch große Potenziale für Neubauprojekte und insbesondere für den Wohnungsbau.