Änderung des Begriffs der Stromlieferung durch Streichung der Eigenversorgung im EEG
Mit Abschaffung der EEG-Umlage zum 01.07.2022 ist nunmehr auch der Begriff der Eigenversorgung aus den Begriffsbestimmungen in § 3 EEG verschwunden. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die bisher sehr eng gefasste Abgrenzung zur Stromlieferung noch aufrechterhalten werden kann.
Bis dato mussten insbesondere kleinere Wohngemeinschaften und Mehrfamilienhäuser auf das sog. Pachtmodell zurückgreifen, wenn sie bei der Realisierung von Erzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energien eine Eigenversorgung begründen bzw. eine Stromlieferung vermeiden wollten (vgl. vorangegangene Newsletter). Ohne solche juristischen „Kunstgriffe“, die sorgfältiger Ausgestaltung bedürfen, wurden jedenfalls bis dato selbst diejenigen Stromlieferanten und damit EVU mit den damit verbundenen Pflichten, die bspw. von der PV-Dachanlage ihres Einfamilienhauses eine Einliegerwohnung (mit)belieferten.
Entbehrlichkeit Personenidentität
Die vorgenannten (Pacht-)Modelle hatten eine besondere Bedeutung um die EEG-Umlage einzusparen. Der alte § 3 Nr. 19 EEG stellte bei der Definition besonders darauf ab, dass natürliche oder juristische Personen den erzeugten Strom selbst verbrauchen.
Die strenge Prüfung der Personenidentität (vgl. BNetzA, Leitfaden Eigenversorgung) war damit eine hohe Hürde bspw. für Bewohnergemeinschaften von Häusern, wenn sie eine Eigenversorgung begründen wollten. Im Ergebnis ging die ganz herrschende Meinung einschließlich der Bundesnetzagentur davon aus, dass der Begriff sehr eng zu fassen ist und daher im Ergebnis allenfalls gemeinsam mit dem Eigentümer im Haushalt lebende Personen unschädlich für die Eigenversorgung sind. Alle anderen Lieferkonstellationen waren eine Stromlieferung mit den entsprechenden Anforderungen gem. §§ 40 ff. EnWG sowie der Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage.
Stromlieferung gem. EnWG
Dies könnte sich dadurch geändert haben, dass die Abgrenzung zur Stromlieferung nunmehr nur noch anhand des EnWG zu beurteilen ist. § 3 Nr. 31a EnWG definiert den Stromlieferanten dabei als „natürliche oder juristische Person, deren Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise auf den Vertrieb von Elektrizität zum Zwecke der Belieferung von Letztverbrauchern ausgerichtet ist.“
Es geht nach dem Wortlaut also objektiv um eine geschäftliche Vertriebstätigkeit durch die subjektiv Letztverbraucher beliefert werden sollen.
Diese Begriffsbestimmung deutet auf eine geschäftsorientierte und damit auf Gewinnerzielungsabsicht ausgerichtete Tätigkeit hin. Dies spricht dafür, eine reine unentgeltliche Verteilung an Teilhaber einer Versorgungsanlage (BGB-Gesellschafter, Genossenschaftsmitglieder etc.) nicht als Stromlieferung anzusehen. PV-Anlagen die etwa auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses errichtet werden, um die dortigen Bewohner in die Lage zu versetzen den dort gemeinsam produzierten Strom anteilig selbst zu nutzen, könnten damit von den Verpflichtungen für Stromlieferanten gem. §§ 40 ff. EnWG ausgenommen werden (vgl. hierzu auch § 3 Nr. 13 EnWG). Die Gewinnerzielungsabsicht betrifft auch hinsichtlich einer etwaigen Überschusseinspeisung die Gruppe (i.d.R. BGB-Gesellschaft) als Ganzes, nicht hingegen die Unterverteilung.
Argumente und Risiken
Allerdings stellt die Begriffsbestimmung zu Energieversorgungsunternehmen (§ 3 Nr. 18 EnWG) lediglich auf die Lieferung an einen anderen ab. Der Wortlaut der Definition Energieversorgungsunternehmen deutet damit darauf hin, dass es lediglich auf den Realakt der Stromlieferung an ein anderes Rechtssubjekt ankommen könnte.
§ 3 Nr. 18 EnWG sieht für die zweite Fallgruppe von EVUs, nämlich die die ein Netzbetreiben, aber eine gewichtige Ausnahme für Kundenanlagen vor. Berücksichtigt man, dass Kundenanlagen nach den Rechtssprechungskriterien durchaus beachtliche Größen (10.000 qm, mehrere hundert Letztverbraucher sowie 1.000 MWh Strom pro Jahr) erreichen können, spricht dies wiederum dafür, unter Wertungsgesichtspunkten die Fälle der Stromlieferung ebenfalls nicht eng zu fassen.
Auch ließen sich die Fälle, in denen keine vertriebliche Strombelieferung erfolgt unter teleologischen Gesichtspunkten relativ gut abgrenzen. Es handelt sich bei diesen Projekten um örtliche Eigenerzeugungsprojekte, in denen lediglich die Anlagenleistung ohne (zusätzliche) Gewinnerzielungsabsicht auf die einzelnen Teilhaber der Anlage verteilt wird. Für diese Fallgruppen sind die Anforderungen der §§ 40 ff. EnWG (insbesondere auch § 41a Abs. 1) aufgrund der gesellschaftlichen Verquickung überzogen. Zudem greift das frühere Entsolidarisierungsargument nicht mehr, seit die EEG-Umlage abgeschafft ist.
In der Gesamtschau der Argumente, die hier nur angerissen werden können, halten wir daher eine Neudefinition der Stromlieferung in dem beschriebenen Sinne für angezeigt und sehr gut vertretbar.
Wege zur Investitionsabsicherung
Gleichwohl ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Auswirkungen mit der Streichung des Begriffs der Eigenversorgung im EEG beabsichtigt hat. Auch ist gegenwärtig nicht absehbar, dass die Bundesnetzagentur die Streichung des Begriffs der Eigenversorgung zum Anlass nimmt, ihren Leitfaden anzupassen. Gerichtsverfahren sind gegenwärtig ebenfalls nicht ersichtlich.
Von daher handelt es sich bis dato (nur) um eine gut vertretbare Rechtsmeinung, die dringend weiterer Unterstützung durch die einschlägigen Verbände und Akteure bedarf.
Damit eine ausreichende Grundlage für Projektentscheidungen entsteht, wäre insoweit eine Bestätigung insbesondere durch eine entsprechende Einlassung der zuständigen Bundesnetzagentur, eine Gerichtsentscheidung oder eine gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert.