Wichtige Neuerungen aus dem Wind-An-Land-Gesetz für die Zulassung von Windenergieanlagen im Außenbereich
Co-Autorin: Rechtsanwältin Lea Wiesmüller
Das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen („WEA“) an Land vom 20.07.2022 wird am 01.02.2023 in Kraft treten. Es enthält viele wegweisende Änderungen zur Beschleunigung des Windkraftausbaus und setzt einige der Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag um, über die wir im [GGSC] Energie-Newsletter vom Dezember 2021 berichtet hatten.
Planvorbehalt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB als Hindernis
Eine dieser Änderungen bezieht sich auf die Einschränkung der Wirkung des sogenann-ten Planvorbehalts gem. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (vgl. zu den Neuregelungen zum Repowering den gesonderten Artikel in diesem Newsletter).
Die Errichtung und der Betrieb von WEA sind gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert. Eine Festlegung von Windenergiestandorten und damit der Errichtung von WEA findet über die Regionalplanung oder Flächennutzungspläne statt. Die eigentliche Steuerungswirkung entfaltet § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Danach stehen öffentliche Belange der Errichtung einer WEA im Außenbereich regelmäßig dann entgegen, wenn der Flächennutzungs- oder Raumordnungsplan positive Standortzuweisungen für WEA (sogenannte Konzentrationszonen) vorsieht. Diese Ausschlusswirkung führt dazu, dass WEA außerhalb von Konzentrationszonen nur schwer und nur in Ausnahmefällen genehmigungsfähig sind (Vorliegen eines sog. atypischen Sonderfalls).
Mit § 249 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber nunmehr eine Kehrtwende vollzogen. Danach ist § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB künftig nicht mehr auf WEA anwendbar. Das bedeutet, dass die Ausschlusswirkung durch Konzentrationszonen für WEA nur noch eingeschränkt gilt.
Flächenziel erreicht: Windkraft verliert Status als privilegiertes Außenbereichsvorhaben
Der Gesetzgeber hat mit § 249 Abs. 2 BauGB eine weitere fundamentale Neuerung vorgesehen. Die Zulässigkeit von WEA außerhalb von Windenergiegebieten richtet sich zukünftig nur noch nach § 35 Abs. 2 BauGB, wenn ein Bundesland seinen Flächenbeitragswert bereits erreicht hat. Ab diesem Zeitpunkt fällt somit die Privilegierung von WEA im Außenbereich weg. WEA sind dann wie „sonstige Vorhaben“ im Außenbereich zu behandeln. Damit entfällt generell die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Diese gilt nur für privilegierte Vorhaben. Es erhöhen sich insgesamt die Anforderungen für die Genehmigung von WEA. Anders als bei privilegierten Vorhaben gem. § 35 Abs. 1 BauGB ist die Genehmigung für eine WEA bereits dann abzulehnen, wenn deren Errichtung und Betrieb öffentliche Belange „beeinträchtigt“.
Flächenziel nicht erreicht: Pläne verlieren ihre Lenkungswirkung
Erreicht ein Bundesland hingegen seinen Flächenbeitragswert nicht fristgemäß, können Darstellungen in Flächennutzungs- und Raumordnungsplänen sowie sonstige Maßnahmen der Landesplanung einer WEA im Außenbereich nicht mehr entgegengehalten werden (§ 249 Abs. 7 BauGB). Die Pläne verlieren damit ihre Lenkungswirkung. Der Bundesgesetzgeber möchte damit die Bundesländer dazu motivieren, ihre Zwischenflächenbeitragsziele fristgerecht (bis zum 31.12.2027) zu erreichen. Mit „sonstigen Maßnahmen der Landesplanung“ sind beispielsweise Moratorien oder andere Sicherungsinstrumente gemeint. Der Gesetzgeber möchte mit diesem Mechanismus verhindern, dass die Länder versuchen, die Flächenbeitragswerte zu umgehen.
Überleitungsvorschriften: Zunächst bleibt für Bestandsplanungen alles beim Alten
Der Gesetzgeber schützt allerdings auch Bestandsplanungen. Nach § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB entfalten Konzentrationszonen in Plänen, die bis zum 01.02.2024 wirksam ausgewiesen sind, nach wie vor die Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Bisher unter der Prämisse des § 35 Abs. 3 Satz 3 erstellte Planungen sollen die dadurch erreichte Lenkungswirkung nicht verlieren.
Die Privilegierung für Bestandsplanungen ist allerdings begrenzt. Diese endet, wenn ein Bundesland den jeweiligen Flächenwert erreicht hat oder mit Ablauf des 31.12.2027 (§ 245e Abs. 1 Satz 2 BauGB). Ab diesem Zeipunkt werden Bestandspläne nicht mehr bevorzugt. Eine entsprechende Steuerungswirkung lässt sich nicht mehr erreichen, da § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB dann ohnehin nicht mehr anwendbar ist.
Fazit
Es ist eine zukunftsweisende Entscheidung, dass der Gesetzgeber die Steuerung, aber auch Begrenzung der Windenergie durch Konzentrationszonen in Flächennutzungs- und Raumordnungsplänen deutlich zurückgedrängt hat.
Im Gegenzug wird über § 249 Abs. 2 BauGB die Privilegierung von WEA entfallen. Ob sich über dieses Korrektiv ein „ungeordneter“ Ausbau der Windenergie im Außenbereich verhindern lässt, muss sich noch zeigen. Jedenfalls greift dieses Korrektiv erst ab dem Zeitpunkt, in dem das jeweilige Bundesland seinen Flächenbeitragswert erreicht hat. Die Neuregelung verspricht, dem stockenden Windenergieausbau einen Schub zu verleihen. Es wird spannend zu sehen, inwieweit eine Steuerung von WEA an bestimmten Standorten noch stattfinden wird.