Neues zur umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand Teil 1: Klarheit zur Anwendung des § 4 Nr. 29 UStG
Geht es um die Frage, ob juristische Personen des öffentlichen Rechts ab dem 01.01.2023 auf von ihnen erbrachte Leistungen Umsatzsteuer erheben müssen, kommt einem zunächst der vieldiskutierte § 2b UStG in den Sinn. Doch die Voraussetzungen des § 2b UStG sind bekanntermaßen hoch. Eine Alternative könnte die in § 4 Nr. 29 UStG enthaltene Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht darstellen, deren Anwendungsbereich aber lange ungeklärt war und die dadurch ein Schattendasein fristete. Nun hat das BMF Licht ins Dunkel gebracht.
Rundschreiben des BMF vom 19.07.2022
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 19.07.2022 ein Rundschreiben veröffentlicht, in dem der Anwendungsbereich und die Voraussetzungen des § 4 Nr. 29 UStG erläutert werden. Bei diesem Schreiben handelt es sich um die im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlichte Endfassung eines Entwurfs aus dem November 2021, der von Verbänden und der Fachpresse seinerzeit veröffentlicht wurde und in dem noch einige Fragen ungeklärt waren.
Anwendungsbereich des § 4 Nr. 29 UStG
§ 4 Nr. 29 UStG befreit selbständige, im Inland ansässige Personenzusammenschlüsse von der Umsatzsteuerpflicht, wenn diese – unter bestimmten Voraussetzungen – Leistungen an ihre Mitglieder erbringen. Hinsichtlich seines Anwendungsbereiches ist § 4 Nr. 29 UStG somit enger als § 2b UStG. Während § 2b UStG für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts gilt, können sich auf § 4 Nr. 29 UStG lediglich „Personenzusammenschlüsse“ berufen. Dem BMF zufolge können dies u.a. Zweckverbände, Anstalten des öffentlichen Rechts mit deren Nutzern oder gemeinsame Kommunalunternehmen sein, sofern diese mindestens zwei Mitglieder haben.
Voraussetzungen für Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht
§ 4 Nr. 29 UStG enthält zahlreiche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Leistungen der begünstigten Personenzusammenschlüsse nicht der Umsatzsteuerpflicht unterfallen. Dem Wortlaut zufolge muss die Leistung gegenüber den Mitgliedern des Zusammenschlusses erbracht werden. Die Leistung muss ferner für unmittelbare Zwecke der (nichtunternehmerischen bzw. dem Gemeinwohl dienenden) Ausübung der Tätigkeiten der Mitglieder verwendet werden. Der Personenzusammenschluss darf von seinen Mitgliedern für die Tätigkeit lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern und die Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht darf nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.
Klarstellungen durch Rundschreiben
In seinem Rundschreiben vom 19.07.2022 hat das BMF erfreulicherweise zwei Dinge klargestellt:
Zum einen sieht das BMF „die nach §§ 2, 2b UStG nicht unternehmerischen Tätigkeiten der Kommunen“ als „dem Gemeinwohl dienende Leistungen“ im Sinne des § 4 Nr. 29 UStG an. Bis dato war unklar, ob § 4 Nr. 29 UStG lediglich Personenzusammenschlüsse umfasst, deren Mitglieder Tätigkeiten ausüben, die ihrerseits nach Maßgabe des § 4 Nr. 29 UStG steuerbefreit sind (z.B. bestimmte Leistungen im Gesundheitswesen).
Zum anderen lässt sich dem BMF-Rundschreiben vom 19.07.2022 entnehmen, dass die Schwelle für eine „Wettbewerbsverzerrung“ im Sinne des § 4 Nr. 29 UStG höher liegt als für eine „größere Wettbewerbsverzerrung“ im Sinne des § 2b UStG. Dem BMF zufolge liegt eine Wettbewerbsverzerrung „insbesondere auch nicht vor, wenn der Zusammenschluss sicher ist bzw. sein kann, dass die Kundschaft seiner Mitglieder unabhängig von jeder Besteuerung oder Befreiung erhalten bleibt, so dass schon deshalb nicht anzunehmen ist, dass die Befreiung […] unabhängigen Marktteilnehmern den Markt verschließt“.
Rechtsverbindlichkeit nur durch verbindliche Auskunft
Stellt § 4 Nr. 29 UStG eine Alternative für Personenzusammenschlüsse dar, bei denen die Voraussetzungen des § 2b UStG nicht vorliegen? Möglicherweise ja, entscheidend ist eine genaue Betrachtung des Einzelfalls und ein sauberes „Abklopfen“ der o.g. Voraussetzungen. Rechtsverbindlichkeit kann jedenfalls nur durch das Stellen eines Antrages auf verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt erreicht werden.
[GGSC] ist Ihnen hierbei gerne behilflich. Wir verfügen über Expertise im Umgang mit den – insbesondere für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger relevanten – § 2b UStG und § 4 Nr. 29 UStG und bei der Erstellung von Auskunftsersuchen an das Finanzamt.