Newsletter Abfall September 2022

OVG Sachsen zu Bereitstellung von Abfallbehältern

Für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (örE) ist die Frage, in welchem Umfanganschlusspflichtigen Grundstückseigentümer:innen Mitwirkungspflichten bei der Bereitstellung von Abfallbehältern auferlegt werden können, von hoher Relevanz. Dass Anordnungen, Behälter über eine gewisse Entfernung zur nächsten mit Sammelfahrzeugen befahrbaren Straße zu verbringen, in aller Regel verhältnismäßig sind, hat nach dem OVG Schleswig nun auch das OVG Sachsen jüngst bestätigt.

Ausgangspunkt: Unfallverhütungsvorschriften

Die gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften sind regelmäßig der Grund, warum örE anschlusspflichtige Grundstückseigentümer:innen verpflichten, ihre Abfallbehälter zur Abholung an Straßen zu verbringen, die mit Sammelfahrzeugen angefahren werden können. Dass sich örE an die gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften (v.a. DGUV-Vorschriften 43/44, DGUV-Branchenregel 114-601) halten müssen und Grundstückseigentümer:innen im Zuge dessen Mitwirkungspflichten auferlegen können, ist in der Rechtsprechung geklärt. Streit entbrennt aber immer wieder an der Frage der Zumutbarkeit.

Streitpunkt: Zumutbarkeit

Ob es anschlusspflichtigen Grundstückseigentümer:innen zumutbar ist, ihre Abfallbehälter über Wegstrecken von teilweise mehr als 100 m zu transportieren, hängt von der konkreten örtlichen Situation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab. Grundsätzlich unbeachtlich sind individuelle Umstände der Grundstückseigentümer:innen, wie etwaige körperliche Einschränkungen. Das OVG Schleswig hat mit Beschluss vom 09.02.2022 (Az.: 5 MB 42/21) festgestellt, dass in solchen Fällen notfalls Dienste Dritter in Anspruch genommen werden müssten und damit den erstinstanzlichen Beschluss des VG Schleswig vom 18.10.2021 geändert. Klargestellt hat das OVG Schleswig auch, dass Grundstückseigentümer:innen keinen Anspruch auf eine „individuelle Lösung“ ihrer Abfallentsorgung haben, da dies zu Lasten der übrigen Gebührenzahler gehe. Darüber hinaus bestehe auch kein Vertrauensschutz auf die Fortführung von Entsorgungspraktiken in der Vergangenheit.

Konkrete Verhältnisse vor Ort

Zu derselben Wertung gelangte das OVG Sachsen in seiner Entscheidung über einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vom 26.07.2022 (Az.: 4 B 176/22). Das Gericht hat klargestellt, dass für die Frage der Zumutbarkeit des Transportes eines Abfallbehälters zur Überlassung an den örE kein allgemeingültiger Maßstab entwickelt werden könne; entscheidend sei stets die konkrete Situation vor Ort. Verursache die Lage eines Grundstückes einen zusätzlichen Aufwand bei der Abholung der dort anfallenden Abfälle, sei dies unter Berücksichtigung einer angemessenen Lastenverteilung im Kreislaufwirtschaftssystem der Sphäre der Überlassungspflichtigen zuzuordnen. Zwar stimmte das OVG den Antragstellern zu, dass das Zurücklegen eines Weges von knapp 300 m mit einer vollen Mülltonne zu jedem Leerungstermin „einige Mühe“ verursache. Die Beschaffenheit der Straße im konkreten Fall sollte jedoch keine unzumutbaren Anstrengungen verursachen. Außerdem könnten Alternativen wie – nach der Satzung ebenfalls zulässige – Abfallsäcke und deren Transport per PKW sowie die Beauftragung von Dritten in Erwägung gezogen werden.

Auch hatten sich die Antragsteller erfolglos auf bisherige Entsorgungspraktiken berufen und vorgebracht, ihre Straße sei in der Vergangenheit neben zweiachsigen wendefähigen auch von dreiachsigen Sammelfahrzeugen befahren worden, welche dann rückwärts hinein und vorwärts hinausgefahren seien. Ein Anspruch auf Fortführung einer solchen – hier auch satzungswidrigen – Entsorgungspraxis besteht dem OVG Sachsen zufolge aber nicht.

Unzulässige Abfallbeförderung?

Anders als das VG Leipzig stellte sich das OVG Sachsen in zweiter Instanz außerdem klar gegen das Vorbringen der Antragsteller, dass es sich bei der angeordneten Verbringung der Abfallbehälter an einen Bereitstellungsplatz über eine derartige Entfernung bereits um eine unzulässige Abfallbeförderung handele, welche nicht ihnen, sondern vielmehr dem örE obliege. Einem derart weiten – über die gewerbliche Abfallbeförderung hinausgehenden – Begriffsverständnis steht nach Ansicht des Gerichts das Organisationsermessen des örE entgegen: Dieser könne im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung u.a. Bringsysteme vorsehen und den Abfallerzeuger- und ‑besitzer:innen auch im Rahmen eines Holsystems weitere Bring- und Mitwirkungspflichten auferlegen.

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